Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (28. bis 29. Oktober) zur wirtschaftspolitischen Steuerung

Wortmeldung im Plenum von lothar Bisky

Herr Präsident!

Wenn die Staats- und Regierungschefs übereingekommen sind, einen dauerhaften Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität im Euro-Raum zu schaffen, dann kann ich das nur begrüßen. Die Ergebnisse der monatelangen Arbeit der Van Rompuy-Task Force zur Gestaltung der wirtschaftspolitischen Steuerung lassen – obwohl ich sie differenziert sehe – stark zu wünschen übrig. Es wird versucht, eine möglichst starke Kontrolle über die Haushaltspläne durchzusetzen, um damit langfristige Defizite zu vermeiden, doch wird die vorsichtige Erholung aus der Krise durch eine radikale Kürzung der Ausgaben der öffentlichen Hand sofort wieder gefährdet. Das ist nicht nur vollkommen kontraproduktiv, sondern ich halte das auch für absurd. Aus den bisherigen Erfahrungen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt scheint keiner gelernt zu haben. Einem bereits hochverschuldeten Land können nicht noch Geldstrafen zusätzlich auferlegt werden. Das Bailout-Verbot und der Stabilitäts- und Wachstumspakt zerstören die Solidarität zwischen den Staaten in der Währungsunion.

Gibt die Wirtschaft vor, was die Politik zu tun hat? Wieder einmal werden die Folgen der Krise auf den Schultern der Bevölkerung ausgetragen. Zu erwarten sind Lohndumping und Sozialdumping, Einschnitte im Bildungssektor und wachsende Arbeitslosigkeit. Dies wird die Belastung für die betroffenen Länder weiter erhöhen und deren Erholung erschweren. Es hat überhaupt keinen Sinn, den Druck auf Länder wie Irland, Griechenland oder Portugal auszubauen. Vielmehr sollten die großen wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa abgebaut werden, also economic governance . Wir wollen ein soziales und gerechtes Europa, das auf dem Grundsatz der Solidarität aufbaut. Das Primat der Politik über die Wirtschaft muss erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden.