Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Juni 2010 (Aussprache)

Rede im Plenum des Europäischen Parlaments

Herr Präsident! Die Ergebnisse der Tagung des Europäischen Rates vom Donnerstag vergangener Woche müssen sich an den globalen und an den europäischen Herausforderungen messen lassen. Sind sie in der Lage, die Ursachen der beispiellosen Krisensituation der europäischen Finanzmärkte von Anfang Mai zu beseitigen oder Schritte in die richtige Richtung einzuleiten? Welche Vorschläge unterbreiten sie den europäischen Bürgern und den Finanzmärkten zur Behebung der Fehlfunktion des Systems?

Der Rat erklärt vollmundig, die Verursacher der Krise, die Banken, sollen an den Kosten beteiligt, ihre Tätigkeit muss stärker reguliert werden. Das kann ich nur begrüßen, allein mir fehlt inzwischen der Glaube. Denn Sie beschließen erstens eine internationale Bankenabgabe, für die es selbst in der EU keine einhellige Zustimmung gibt und die von einigen G-20-Ländern rundweg abgelehnt wird. Eine Durchsetzung dieses Beschlusses scheint völlig unrealistisch zu sein.

Denn für die Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer gibt es zweitens lediglich einen Prüfauftrag. Ich bezweifle, dass das die Akteure des globalen Finanzmarktes wirklich beruhigen oder von Spekulationen gar abhalten kann oder die G-20 zu einem diesbezüglichen Beschluss veranlassen wird.

Drittens sind die strengeren Maßnahmen gegen Defizitsünder in einer Finanz- und Wirtschaftskrise eher dazu geeignet, den Aufschwung zu drosseln, den Konsum der Bürger einzuschränken und insbesondere die sozial Schwachen zu zwingen, den Gürtel enger zu schnallen. Damit ist eine weitere Schrumpfung der Einnahmebasis des Staates vorprogrammiert. Das erfordert wiederum neue Sparmaßnahmen, was die Finanzierbarkeit der gerade verabschiedeten Strategie Europa 2020 insgesamt in Frage stellt.

Und viertens, die Möglichkeit einer Stärkung der Einnahmebasis der Staaten über eine EU-weite Finanzmarkttransaktionssteuer, über Eurobonds, Ökosteuern, Anhebung der Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen, sozial gerechte Verteilung der Belastungen wird nicht in Angriff genommen. Das finde ich schon bemerkenswert.

Fünftens untergräbt die Krise die demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Dazu tragen die Auflagen der EU für Länder in der Krise weiter bei. Sozialabbau, Kürzungen bei Löhnen und Renten, Erhöhung des Rentenalters, Abbau öffentlicher Dienste, all das führt dazu, dass die soziale Schere sich immer weiter öffnet und die Zahl der Armen immer weiter steigt. Das kritisiere ich!