Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 106, 23. Juni 2023

Indonesien, Ministertagung des EU-US Handels- und Technologierats (TTC), Verhältnis von EU-Rechtsetzung zur nationalen Rechtsetzung, Lage der Grundrechte in der EU, das (künftige) Europaparlament 2024 (Ausgabe 106)

Liebe Leser*innen

am Freitag bin ich von der Delegationsreise des Handelsausschusses des Europaparlaments (INTA) nach Indonesien zurückgekehrt – ich hatte schon eine ausführlichere Vorab-Information im letzten Newsletter. Vorerst zum Fazit nur kurz so viel: Es waren hochinteressante Treffen, die nicht nur die Beziehungen der EU zu dem größten muslimischen Land der Erde betrafen, den Herausforderungen der Ausgestaltung einer fairen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe, sondern auch die Zukunft der internationalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen generell bestimmten. Wir haben sehr selbstbewusste Gastgeber*innen für die Gespräche sowohl auf exekutiver Ebene, bei Vertreter*innen von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft und natürlich auch im Parlament Indonesiens getroffen. Wir werden als Handelsausschuss jetzt unmittelbar darangehen, die Gespräche und Informationen aufzuarbeiten und auch mit der EU-Kommission in Verbindung treten. Hat doch der Besuch auch deutlich gemacht: eine von der Kommission und großen Teilen des Europarlaments aber auch des EU-Rates beabsichtigte baldige politische Unterzeichnung des CEPA (Comprehensive Economic Partnership Agreement) benötigt noch eine ganze Reihe von Verhandlungsarbeit zum Erreichen eines beiderseits akzeptablen Abkommens. Die nächste Verhandlungsrunde ist für die Woche ab 15. Juli in Jakarta geplant. Ich werde Sie darüber auf dem Laufenden halten.

Stichwort Nord-Süd-Beziehungen. In der zu Ende gehenden Woche gab es eine ganze Reihe von Ereignissen, in denen es ebenfalls um die Zusammenarbeit zwischen Staaten des Globalen Südens und Nordens ging, was nicht zuletzt Einfluss auf die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 haben muss. Vertreter*innen von über 100 Staaten, darunter zahlreiche Spitzenpolitiker*innen, internationale Finanzinstitute sowie Entwicklungsorganisationen, haben in Paris über ein solidarischeres globales Finanzsystem beraten. Ein solches System soll Fortschritte bei der weltweiten Armutsbekämpfung sowie der Bewältigung der Klimakrise ermöglichen. Verabschiedet wurde ein Leitfaden zur Überwindung der wachsenden Kluft zwischen den Industriestaaten und den Ländern des Globalen Südens, die von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sind.

Sicher: Ein solcher Leitfaden ist ein erster und wichtiger Schritt. Wie leider so oft bei derartigen Initiativ-Treffen gab es jedoch keine verbindlichen Zusagen, wie genau die Entwicklungsländer unterstützt werden sollen oder welche finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden, und ob und das nicht erneut schon bei anderen Gipfeltreffen zugesagte Finanzmittel nun nur neu zusammengeschüttelt werden. Dies war, richtigerweise, auch ein zentraler Kritikpunkt von Entwicklungsorganisationen, die schon vor dem Treffen konkrete Schritte zu einer nachhaltigen internationalen Finanzarchitektur angemahnt hatten. Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung: Es müssen sofort intensive Bemühungen unternommen werden, die zu verbindlichen Vereinbarungen führen, um die Nachhaltigkeitsziele zu realisieren. Da werden wir Ende August/Anfang September sicherlich auch sehr genau an die Treffen im Rahmen der UNO in New York schauen müssen, geht es doch dort dann um Zwischenbilanzen hinsichtlich der UN-Agenda 2030. Ich habe gewiss sehr viel Kritik an der Politik von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Aber seiner Aussage zum Auftakt des Treffens kann ich nur zustimmen: „Kein Land sollte zwischen der Reduzierung der Armut und dem Schutz des Planeten wählen müssen.“  Und deshalb bleibt es auch für den französischen Präsidenten, die Nationalversammlung und die verschiedenen politischen Kräfte in Frankreich, und natürlich in allen anderen EU-Mitgliedstaaten, also auch hierzulande von Bundesregierung und Bundestag wie Bundesrat, nun zu zeigen, was sie dafür in den nächsten 2 Jahren real auf den Weg bringen. Ebenso ist UN-Generalsekretär António Guterres zu unterstützen, der wiederum mahnte, man solle nicht auf die ganz große Reform warten, sondern bereits jetzt Maßnahmen ergreifen und einen riesigen Schritt hin zu globaler Gerechtigkeit gehen. Auch dazu müssen nicht zuletzt die Bundesregierung und ihre Außenministerin, die sich wiederholt zur Umsetzung dieser Vorgaben bekannt haben, endlich aktiver, nachdrücklicher und verbindlicher werden. Auf die öffentlich wahrnehmbare Positionierung des deutschen Finanzministers, auch im Kreis seiner Kolleg*innen in der EU, können wir nur gespannt sein.

Zumindest bei einem anderen Thema wurden nun Nägel mit Köpfen gemacht: Nach 15-jährigen Verhandlungen haben die Vereinten Nationen ein Abkommen zum Schutz der Weltmeere verabschiedet. Damit können nun große Schutzgebiete auf hoher See ausgewiesen werden, bislang stand nur ein Prozent der Hochsee unter Schutz. Zudem wurde mit dem Abkommen ein Verfahren beschlossen, um wirtschaftliche Projekte, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu prüfen. Ich denke, das ist ein Signal auch für andere Bereiche und ist übrigens auch ganz im Tenor unserer großen Beyond Growth 2023 Conference im Mai in Brüssel.

Etwas wieder Neues gibt es auch aus meinem Team zu berichten. Seit wenigen Wochen ist Jonathan Schnock als Fachreferent zur Arbeit unseres Teams im Themenbereich internationale Handelsbeziehungen dazu gestoßen und wird sicher erfolgreich sowohl meine Tätigkeit im INTA-Ausschuss, als auch in der Untersetzung meiner Arbeit in den bilateralen Länderdelegationen unterstützen. Jonathan hat nach Studiengängen in Dresden und Osnabrück das College of Europe in Brügge absolviert und bereits einige Erfahrungen in der internationalen Handelspolitik gesammelt. Und: Er hat sich intensiv mit den Beziehungen EU-China beschäftigt. Sie wissen, dass dies ein Schwerpunktthema für mich ist, auf dem viel geschieht und künftig noch viel mehr geschehen wird.

Was jedoch in der nächsten Woche ansteht, lesen Sie wie stets unten.

Ihr

Helmut Scholz

 

Lesen Sie die gesamte Ausgabe des Newsletters vom 26. Juni 2023 auf der Website von Helmut Scholz. 

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