Gewerkschaften luden zum 1. Mai in Brüssel auf den Mont des Arts
Gewerkschaften luden zum 1. Mai in Brüssel auf den Mont des Arts

Martinas Woche 20/21_2023: Beyond Growth und keine Strukturfondsmittel für Rüstung

Beyond Growth-Konferenz – Besucher*innen aus Bayern – Regionalausschuss streitet über Rüstungsproduktion

Die Woche vor Christi Himmelfahrt war Brüssel nicht nur für Tourist*innen ein lohnendes Ziel. Überall spürte man in dieser kurzen Woche rund um das Europaparlamentsgebäude in Brüssel „Hier ist etwas los!“, „Hier treffen sich viele, die sich um die Zukunft des Planeten sorgen, die der Politik mal auf die Sprünge helfen wollen, die interessante Ideen haben, wie wir gerechter und ökologischer leben, arbeiten.“ Besonders viele junge Leute beteiligten sich an einem großen öffentlichen Dialog, der Beyond Growth-Konferenz im Europaparlament und gingen der Frage nach, wie wir uns gemeinsam verändern können.

Am Montag darauf konnte unser Büro Besucherinnen und Besucher aus Bayern in Brüssel begrüßen, viele Kommunalpolitiker*innen und sehr an europäischer Politik Interessierte aus allen Altersgruppen.

Zeitgleich tagten Ausschüsse mit vielen Abstimmungen, heftigen Debatten und die Vorboten des Miniplenums in der jetzt kommenden Woche am 31.5. und 1.6. in Brüssel kündigten sich an.

 

15. bis 17.Mai: „Beyond growth 2023“-Konferenz im Europaparlament

Ludovic Voet, konföderaler Sekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, einer der Teilnehmer*innen der Beyond Growth-Konferenz die von fünf Fraktionen des Parlaments, darunter der Linken gemeinsam vorbereitet wurde und für die sich allein 4.000 Menschen angemeldet hatten, sagte:

„In der Geschichte bestand die Rolle der Gewerkschaften immer darin, menschliche Grenzen zu setzen, die Rechte der Arbeitnehmer zu definieren und dafür zu sorgen, dass sie immer eingehalten werden. Ich denke, heute haben wir auch die Aufgabe, die Grenzen des Planeten zu setzen und den Planeten und die menschlichen Grenzen nicht gegeneinander auszuspielen. Das ist es, was wir in der Gewerkschaftsbewegung als ‚gerechten Übergang‘ bezeichnen. Wir müssen einen Übergang planen, der für die Arbeitnehmer akzeptabel ist, damit sie gute Arbeitsplätze haben und sozial abgesichert sind. Und natürlich widerspricht das der Logik des schnellen Profits. Das ist es, was wir in der Gesellschaft ändern müssen“.

An drei Tagen diskutierten im großen Plenarsaal und in Workshops Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Politiker*innen. Wenn man die Debatten verfolgte, so erfuhr man schnell, wie sehr dieses Thema alle Politiken tief beeinflusst, wie ökologisches Handeln ein neues Verständnis unserer sozialen Wohlfahrt und unserer Art zu wirtschaften voraussetzt, in der das Bruttosozialprodukt wie ein irreführender Index aus alten Zeiten erscheint, weil er Folgen des Klimawandels, verfehlte Verkehrspolitik, den schleppenden Umbau in eine solare Energiebasis und den gefährlichen Abbau der Artenvielfalt und vieles mehr, einfach nicht darstellt. Die Debatten verdeutlichten ebenso, wie stark die Handels- und Sicherheitspolitik vom ökologischen Wandel bestimmt sind und dabei leider oft noch als Umgehung längst erkannter Herausforderungen „benutzt“ werden. Zur Handelspolitik hatte Helmut Scholz ein eigenes Panel organisiert. Es lohnt sich in jedem Fall, die Ergebnisse und Debatten der Konferenz zu erschließen und für europäische Politik nutzbar zu machen.

 

Europapolitische Sprecher*innen trafen sich online

Neben einer Debatte nach den Wahlen in Bremen standen am Freitag nach Himmelfahrt zwei große Themen auf der Tagesordnung der Europapolitischen Sprecher*innen der Landtage, der Bundestagsfraktion und der Abgeordneten der Brüsseler Delegation: europäische Sozialpolitik in den Regionen und die Verschärfung der inhumanen Migrationspolitik der EU. Zu beiden sprachen ausgewiesene Expert*innen, der Staatssekretär a. D. Gerry Woop aus Berlin zum ersten Thema und Cornelia Ernst aus unserer Delegation und die Bundestagsabgeordnete und Juristin Clara Bünger, die eingehend die Aushebung des Asylrechtes bei der Neuorganisation an den EU-Außengrenzen beschrieb, denn eine Asyl-Antragstellung wird inhaltlich zunehmend komplett verwehrt, indem sich auf formale Zuständigkeitsverschiebungen konzentriert wird. Die Leidtragenden sind nicht nur die Flüchtenden selbst. Diese Politik ist auch Wasser auf die Mühlen eines um sich greifenden Rassismus in vielen europäischen Gesellschaften. Angesichts des 30. Jahrestages des furchtbaren Anschlages in Solingen am 29. Mai 1993, bei dem fünf Frauen und Kinder ums Leben kamen, wünschte man sich wesentlich mehr als das notwendige öffentliche Erinnern.

 

Besuchergruppe aus Bayern im EP auf Einladung Martinas

Am Dienstagvormittag stand Martina Rede und Antwort vor einer großen Besuchergruppe aus Bayern im Besucherzentrum des Parlaments, die danach von der Besuchertribüne aus einem internationalen Kongress mit großem Interesse beiwohnte. Die vierzig Besucher aus verschiedenen Regionen Oberbayerns, darunter fünf linke Kreistagsabgeordnete, waren nach Brüssel gekommen, um sich über die Arbeitsweise und Strukturen der europäischen Institutionen zu informieren, mehr über die Besonderheiten des Europäischen Parlaments zu erfahren und interessierten sich natürlich besonders für die Arbeit der Fraktion The Left sowie der Delegation der LINKEN, also auch der Martinas und ihres Teams.

Beeindruckt waren alle auch von der Macht der Demonstrationen der belgischen Gewerkschaften in Brüssel am Montag, wodurch so manche Umwege bei der Stadtbesichtigung und -rundfahrt in Kauf genommen werden mussten. Natürlich standen das Atomium sowie die Altstadt Brüssels mit dem Grand Place auf dem Programm sowie zudem der Besuch einer Chocolaterie mit ausgesuchten Köstlichkeiten. Und es wurde viel diskutiert über die politische Situation in Europa, den Zustand der gesellschaftlichen Linken, über Pazifismus und eine solidarische Haltung im Krieg Russlands mit der Ukraine und die Möglichkeiten Europas – im Hotelfoyer, im Bus, auf den Wegen und natürlich beim gemeinsamen Abendessen mit Martina am Dienstagabend in einem historischen Restaurant in der Altstadt Brüssels. Auch wenn die An- und Abreise doch recht lang und beschwerlich waren, wurde die Fahrt durchweg positiv eingeschätzt und gab allen Teilnehmern neue Impulse für ihre politische Arbeit vor Ort in Bayern.

 

Heftige Debatte im Regionalausschuss zur Munitionsproduktion

Der Vorschlag, EU-Struktur- und Wiederaufbaufonds für Rüstungsproduktion einzusetzen ist ein Tabubruch, der immerhin für viel Aufregung sorgt und noch vor wenigen Monaten völlig undenkbar gewesen wäre. Zum einen bestimmt der EU-Vertrag im Art. 41 (2), dass „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ nicht aus dem EU-Haushalt gedeckt werden. Zum anderen sind die Strukturfonds unsere Instrumente für strategische, langfristige Investitionen mit dem Ziel der Angleichung und Verbesserung der Lebensverhältnisse in allen Regionen der EU. Sie sind in den vergangenen Jahren mehrfach ausnahmsweise auch für Notfallmaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie und der Flüchtlings- und der Energiepreiskrise genutzt worden. Sie sollen den klimagerechten Strukturwandel voranbringen, in grüne, nachhaltige, soziale Wirtschaft und Industrie investieren. Unter anderem für den Ansatz solchen solidarischen Zusammenhalts hat die EU den Friedensnobelpreis erhalten. Kriegswirtschaft aber, auf die Binnenmarktkommissar Thierry Breton uns einschwören zu wollen scheint, ist weder sozial, noch ökologisch, noch wirtschaftlich nachhaltig. Hier findet ihr alle Hintergründe und auch einen Einblick in die heftige Debatte im Ausschuss.

 

Die Türkei hat gewählt – Spanien wird Wahlen vorziehen

Ja, wir sind zweifach enttäuscht. Die Wiederwahl Erdoğans in der Türkei nach einem denkbar unfairen Wahlkampf gegen eine breite Opposition, verbunden mit weiteren Verhaftungen und Verfolgungen insbesondere auch kurdischer Politikerinnen. und Politiker, auch aus dem Spektrum der CHP, verlangt aus unserer Perspektive keine Ergebensheitsadressen europäischer Regierungen. Morgen treffen sich dann die Regierungschefs wieder und beratschlagen über Menschenrechte und Europas Krise der Demokratie. Vielleicht sollte man dies auch in angemessenen kritischen Statements zusammenbringen.

Der Sorgen nicht genug. Nach den Ergebnissen bei den Regional- und Kommunalwahlen in Spanien erzielten die Konservativen überall ernorme Gewinne. Der sozialdemokratische Regierungschef Sánchez hat daraufhin das Parlament aufgelöst und Neuwahlen im Juli angekündigt.  

Vorschaubild des YouTube-Videos https://www.youtube.com/watch?v=wW71pSFiR9M
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Martina Michels, MdEP, vor Besuchergruppe am 23.5.2023
Jörg Bochmann

Besuchergruppe aus Bayern im EP, 26.5.2023
Jörg Bochmann

Martina Michels, MEP, vor Besuchergruppe, 23.5.2023
Jörg Bochmann

Plenarsaal im EP in Brüssel, 26.5.2023
Jörg Bochmann