Helmut Scholz
Helmut Scholz

Lackmustest der europäischen Demokratie

Helmut Scholz kommentiert das erste von vier Foren mit Bürger*innen aus den 27 EU-Mitgliedstaaten, das am vergangenen Wochenende im Rahmen der „EU-Zukunftskonferenz“ in Straßburg stattfand

„Mit den Foren von Bürger*innen tritt die „Konferenz zur Zukunft der EU“ nun in ihre entscheidende, wirkliche Arbeitsphase ein. Es ist symbolisch, dass die erste Beratungsphase dieser vier Bürger*innen-Versammlungen der EU-Zukunftskonferenz hier in Straßburg an jenem Ort stattfindet, an dem auch die Abgeordneten ihre Plenardebatten im Europaparlament abhalten.  Denn einerseits werden die Mitsprache und die Beteiligung von Bürger*innen an Entscheidungen auf europäischer Ebene nur gewährleistet werden, wenn die parlamentarische Demokratie durch die partizipative Elemente ergänzt wird. Zugleich waren es die Abgeordneten des EP, die immer wieder auf die Durchführung der Zukunftskonferenz gedrängt und die von den Regierungen errichteten Hürden abgeräumt haben.“

 

Helmut Scholz, der DIE LINKE als Mitglied im Lenkungsausschuss der „Konferenz zur Zukunft der EU“ vertritt, beschreibt das erste Forum in Straßburg:

„Wie abzusehen war, waren die Themen, die die Bürger*innen auf den Tisch legten, so vielfältig und vielschichtig, dass die bislang vorgesehene Zeit von vier Monaten für drei Beratungsphasen sehr knapp werden wird. Neben Kennenlernen, einer gründlichen Verständigung zur Selbstorganisation jeder Bürger*innen-Versammlung haben die Moderator*innen mit einem Meinungsaustausch über die persönlichen Visionen zur ‚EU 2050‘ begonnen. Es wird darauf ankommen, dass die Teilnehmer*innen ihren konkreten Alltag als Ausgangspunkt für das Bemessen politischer Entscheidungen einfließen lassen, dass sie ihre Erfahrungen und Vorstellungen, Fragen und Forderungen an Politik und die Entscheidungen auf EU-Ebene miteinander besprechen. Nicht abstrakt und allgemein, sondern sehr konkret und tabulos. Das ist die Chance für eine produktive EU-Zukunftskonferenz.“

Helmut Scholz weiter:

„Die Zukunftskonferenz mit ihren institutionellen Tagungen und den Bürger*innen-Foren ist eine so erstmalig praktizierte Möglichkeit, die Menschen eng in einen Arbeitsprozess ‚von unten‘ einzubeziehen. Natürlich ist die Konferenz keine neue, repräsentative oder gar Recht setzende Institution.  Sie kann jedoch ein Ort werden, an dem der Souverän politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen, die Bürger*innen, sich demokratisch in die künftige Ausgestaltung der Europäischen Union einmischen. Jetzt und künftig. Und vor allem dauerhaft.“

Scholz wertet diese Versammlungen der Bürger*innen durchaus als neue Form der Teilhabe an EU-Entscheidungen, wenn diese über Zuhören hinausgehen und nicht wie so oft folgenlos bleiben. Seit Mai dieses Jahres haben sich bislang etwa drei Millionen Bürger*innen aus allen Mitgliedstaaten, auf einer interaktiven Internetseite, der digitalen Plattform www.futureu.europa.eu/ umgesehen oder auch selbst zu Wort gemeldet, eigene Veranstaltungen und Diskussionen geplant. „Bezogen auf alle Menschen in der EU noch viel zu wenige, aber immerhin…“ so Scholz. Wortmeldungen zu Fragen der demokratischen Funktionsweise der EU, der Migration, der Arbeitswelt und des Klimawandels, aber auch zur Frage, wie eine Gesundheitsunion aussehen soll, in der Gesundheit keine Ware sein darf. Alle Fragen und Themen, die von den europäischen Bürger*innen auf den Tisch gelegt werden, sind konsequent zu behandeln– und in konkrete Politik umzusetzen, in voller Transparenz. Hier haben auch Vertreter*innen der Medien einen konkreten, wichtigen Arbeitsauftrag, wie auch die EU-Institutionen. Denn Nichts könnte der europäischen Demokratie mehr schaden als der Versuch, die Zukunftskonferenz zu einer Alibiveranstaltung zu machen.“ so Scholz abschließend.