Türkei ist mehr als Erdoğan, es ist die Opposition und die Zivilgesellschaft

Martina Michels in der Debatte zum Türkei-Bericht

– Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erdoğan hatte den gescheiterten Putsch als ein Geschenk Gottes bezeichnet. Die Folgen davon stehen im EUTürkeiBericht. Das göttlichere Geschenk aber hat die EU den türkischen Machthabern selbst gemacht. 

Der Flüchtlingsdeal förderte das Wegschauen bei der systematischen Verfolgung der Opposition, das Schweigen beim Überfall auf Afrin. Inzwischen ist die ehemalige Europaparlamentarierin Feleknas Uca mit vielen Jahren Haft bedroht. Seit November ist die Politikerin Leyla Güven im Hungerstreik. Zu solchen Mitteln greift man erst, wenn man jeglicher Handlungsmacht beraubt wurde. Übrigens leiden besonders die Frauen akut unter dem Erdoğan-Regime. Sie sollen systematisch mundtot und unsichtbar gemacht werden. 

Entscheiden wir uns für das Signal des Einfrierens der Verhandlungen und nicht für Abbruch. Zeigen wir Dialogfähigkeit und Solidarität, denn die Türkei, ist mehr als Erdoğan, es ist vor allem die Opposition und die Zivilgesellschaft. Sie brauchen unsere Stimme! –

(Anschließend: Nachfrage (Blue Card) von Michaela Šojdrová – Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) aus Tschechien und Antwort von Martina Michels.)

 – Verehrte Kollegin! Ich erinnere Sie daran, dass wir hier in diesem Hause eine Situation hatten, wo wir uns eigentlich fraktionsübergreifend einig waren, dass wir uns mit dem EU-Türkei-Deal erpressbar gemacht haben. Diese Situation habe ich angesprochen. Erpressbar, dass uns Erdoğan hier monatelang, ja jahrelang sozusagen am Nasenring vorführen konnte. Und da, denke ich, sollten wir die eigene Situation auch nicht verschweigen. Das gehört genauso dazu wie alles andere, was wir an kritischem Dialog mit dem Erdoğan-Regime bereits unternommen haben. –