Hintergrundinformationen zum Video
 

Die Geschichte beginnt u.a. im Irak, wo eine Handvoll früherer Mudschaheddin aus Afghanistan in Folge der US-Invasion von 2003 einen lokalen Al-Qaida-Ableger gründeten. Im selben Jahr wurde Saddam Hussein gestürzt, wurde die irakische Armee aufgelöst und auch die regierende Baathpartei Husseins fiel auseinander. Unter Leitung der Amerikaner wurde versucht, mit eigenen Soldaten Ruhe und Ordnung herzustellen. Hunderttausende Iraker insbesondere der sunnitischen Minderheit standen jedoch vor dem Nichts und fanden im Widerstand gegen die US-Truppen ein neues Betätigungsfeld, auch wenn sie sonst sehr unterschiedliche Ansichten hatten. 

Unter Abu Musab al-Zarqawi formierte sich „Al Qaida im Irak“. Der Irak entwickelte sich zum Sammelbecken für Dschihadisten aus aller Welt. Ende 2006 wurde aus „Al Qaida im Irak“ der so genannte „Islamische Staat im Irak“ (ISI), der 2008 in den Untergrund gedrängt wurde. Anfang 2013 expandierte ISI ins zerfallende Syrien und nannte sich selbst fortan „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“. Kurz darauf kam es zum Bruch mit Al Qaida, deren syrischer Ableger, die Nusra-Front, dem ISIS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi die Gefolgschaft verweigerte. Baghdadi arbeitet seitdem auf eigene Faust an der Errichtung eines Kalifates im historischen „Bilad Al-Sham“, also im Irak, in Syrien, Jordanien, dem Libanon und in Palästina. Seit der Anfang Juni 2014 begonnenen Offensive im Nordirak nennt sich ISIS nur noch „Islamischer Staat“ und Baghdadi tritt als selbst ernannter Kalif auf (Quelle). Der so genannte „Islamische Staat“ verfügt unterschiedlichen Schätzungen zu Folge mind. über 19 000 Mann starke Miliz und sein selbst erklärtes „Kalifat“ wird von niemandem als Staat anerkannt. 

Zur Begriffsverwendung: Die Verwendung des Begriffs „Staat“ stellt eine eher unpassende Aufwertung der Terrororganisation dar, obwohl sie zweifellos auch staatsähnliche Aufgaben wie das Ausstellen offizieller Dokumente vornimmt. Am Wort „Islamisch“ stören sich viele Muslime, die eine Gleichsetzung ihrer Religion mit den Terroristen kritisieren. Daesh ist eine Abkürzung von „Der Islamische Staat im Irak und der Levante“. Die Abkürzung wird als despektierlich empfunden, denn es könne im Arabischen als Wortspiel für abwertende Begriffe verwendet werden – beispielsweise „Fanatiker“, „jemand, der anderen seinen Willen aufzwingt“ oder „jemand, der Zwietracht sät“. (Quelle)

Der „IS“ hat beträchtliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Vor der Einnahme von Mossul im Juni 2014 wurde sein Vermögen, das wohl auf Spenden von Personen aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien und/oder auf Beteiligungen an Erpressungs- und Schutzgeldern zurückging, auf 900 Millionen US-Dollar geschätzt. Nach der Einnahme der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul im Juni 2014 und der Ausplünderung der irakischen Zentralbank in der Stadt belief sich das geschätzte Vermögen auf zwei Milliarden US-Dollar. Einnahmen „erwirtschaftet“ der „IS“ aus „Steuern“ (insbesondere Kopfsteuern von nicht sunnitischen Personen oder Wegezöllen an Straßensperren), Schutzgelderpressungen, Banküberfällen, Entführungen, dem Verkauf von Rohöl und Altertümern und Lösegeldern. Der „IS“ kontrolliert Ölfelder und Raffinerien im Nordirak und einige Ölfelder in Ostsyrien. (Quelle) Über Schmuggelrouten, von denen die meisten schon seit dem Irak-Embargo in den 1990er Jahren funktionieren, wird das Öl im Ausland abgesetzt, vor allem über die benachbarte Türkei. Die Öl-Erzeugnisse werden oft unterhalb marktüblicher Preise verkauft und finden deshalb immer Abnehmer.

Unklar ist u.a. wie hoch die Einkünfte aus den verschiedenen Quellen tatsächlich sind. Klar scheint jedoch, dass das Geld aus dem Öl-Geschäft die Haupteinnahmequelle des „IS“ ist (Quelle). Da das Gebiet, das der „IS“ kontrolliert, sehr recht groß ist und mehrere Millionen Einwohner umfasst, gibt es bereits hier einen Markt für Öl-Erzeugnisse, über den der „IS“ Geld verdienen kann. Viele Menschen sind zum Beispiel auf Diesel für die Stromerzeugung oder Autos angewiesen. Der Export des Öls bleibt für den „IS“ aber weiter sehr wichtig.

In dem Aktions-Plan (Quelle) gegen Terrorfinanzierung der EU-Kommission aus dem Frühjahr 2016 findet sich zu einigen entscheidenden Fragen leider Nichts. Dafür gibt es aber sehr zweifelhafte Ideen wie die Einschränkung des Bargeldverkehrs mit Euros. Dies scheint eher eine geldpolitische Entscheidung zu sein, die den Banken dient, da die Kunden gezwungen wären, mehr Geld auf den Konten zu belassen und Negativzinsen an die Kunden weitergegeben werden könnten. Auch darf bezweifelt werden, dass der „IS“ seine Öl-Deals in Euros abschließt. Im Zusammenhang damit steht auch die Frage, wer dem „IS“ eigentlich Ersatzteile für und ganze mobile Raffinerien verkauft? Schließlich ist der Handel mit terroristischen Organisationen für Firmen und Privatleute verboten?

Wie wirkungsvoll der Öl-Schmuggel eingeschränkt werden soll und was man tun könnte, damit der „IS“ keinen Zugriff mehr auf das internationale Bankensystem hat, tauchen im EU-Aktionsplan nicht auf. Eingenommenes Geld wird auch der „IS“ nicht nur bar horten, sondern anlegen oder damit Zahlungen tätigen.

Insbesondere das doppelte Spiel der Türkei ist zu kritisieren: Einerseits ist das NATO-Mitglied Türkei offiziell gegen den „IS“. Faktisch läuft ein Großteil der Handels- und Nachschubwege des „IS“ über die Türkei. Außerdem haben türkische Journalisten mindestens eine indirekte Zusammenarbeit bzw. ein Gewähren lassen der Türkei und des „IS“ in der offenlegen können (Quelle). Um die eigenen strategischen Bündnisse mit dem NATO-Partner Türkei und mit den Golf-Staaten wie Saudi-Arabien nicht zu gefährden, wird offenbar in der EU und bei der Bundesregierung nicht so richtig hingeschaut. Zwar hat der Auswärtige Ausschuss des Europaparlaments die Rolled er Türkei scharf kritisiert (Quelle), doch sind ernsthafte Konsequenzen bislang nicht bekannt.

Gleichzeitig ist klar, dass es beim syrischen Bürgerkrieg auch um handfeste geopolitische und wirtschaftspolitische Interessen geht. Zum Einen möchte der Westen weiterhin einen Regime Change in Syrien, denn der dortige Machthaber Assad ist ein verbündeter Russlands und Russland betreibt in Syrien seinen einzigen militärischen Mittelmeerhafen. Darüber hinaus geht es um die erbitterte Konkurrenz zweier Erdgas-Pipeline-Projekte, die durch Syrien verlaufen sollen. Die eine Pipeline wird von schiitischen Iran vorangetrieben – mit dem Segen Russlands, das ansonsten sehr stark auf seine Erdgas-Exporte nach Europa angewiesen ist. Die andere Pipeline wird von den sunnitischen Quataris, die Verbündete des Westens sind, geplant. Damit die Quataris ihr Gas nach Europa verkaufen können – und so Russland vom europäischen Gasmarkt verdrängen könnten – muss ihre Pipeline durch Syrien verlaufen, was aber Assad bislang verhindert hat (Quelle). Auch deshalb setzen der Westen und Golf-Diktaturen auf einen „regime change“ in Syrien. Und wohl deshalb sind der „IS“ oder auch andere islamistische Terrororganisationen wie die Al-Nusra-Front ein Mittel, um den gemeinsamen Gegner (in diesem Fall Assad und indirekt Russland) zu schwächen.

Um den Terror zu beenden, bedarf es endlich konsequenterer Schritte gegen die Terrorfinanzierung – insbesondere was den Öl-Schmuggel betrifft. Und es muss eine Perspektive für die Menschen im gesamten Nahen und Mittleren Osten geben. Beispielsweise sind die Leute, die für den „IS“ Tanklaster fahren oft gar keine Anhänger desselben. Aber in einem vom Krieg zerstörten Land ohne soziale oder berufliche Perspektiven ist der Schwarzmarkt oder das Öl-Schmuggeln für den „IS“ einfach eine der seltenen Einkommensquellen. Daher bedarf es endlich sinnvoller Perspektiven für die Menschen vor Ort und eine friedliche politische Lösung des Konfliktes.