Digitale Zukunft: Erst kommt das Geld, dann die Werte?

Splitter zur digitalen Binnenmarkt-Strategie (DSM) in der Europäischen Debatte

Die Kommission hat den digitalen Binnenmarkt entdeckt. Und es muss wirklich furchtbar sein, dass noch nicht alle Menschen länderübergreifend online shoppen oder Filme downloaden, für die sie offenbar nichts bezahlen wollen. So in etwa verkürzt die Kommission gern die Problemlagen. Doch Digitalisierung hat nicht nur die Arbeits- und Geschäftswelt, sondern auch die Art des Austausches kultureller, politischer und ethischer Wertorientierungen, die Alltagskommunikation verändert. Debatten um googlebooks, um twitter im arabischen Frühling haben das genauso gezeigt, wie die wohlstandschauvinistische Entrüstung über Flüchtende mit Smartphones.

Eine Digitale Binnenmarkt (DSM)-Strategie der EU ist nicht allein eine Frage von Technologien und wirtschaftliche Möglichkeiten, von Geschäftsmodellen, neuen Arbeitsplätzen und Verbraucherrechten. Es geht darum, wie wir lernen, zu Wissen und Weltanschauung im wahrsten Sinne des Wortes kommen, wie wir kommunale Aufgaben verwalten und Integration bewältigen. Und es geht darum, ob wir uns diskriminierungsfrei in vielerlei Hinsicht auch im digitalen Netz verhalten.

Doch es ist noch immer so, dass Industrie- und Rechtsausschüsse digitale Agenden entwerfen, während Kultur- und Medienpolitik flankierend mitarbeiten sollen. Erst kommt das Geld, dann die Werte. Netzneutralität, Datenschutz und ein Urheberrecht, dass auch die Nutzerinnen und Nutzer mit ihrem oft kreativen Beitrag zur Kommunikation respektiert, werden dadurch immer erst wieder eingefordert, wenn das Kind schon fast im Brunnen liegt, wenn ein Mehrklasseninternet und versperrte Informationszugänge drohen.

Es ist Zeit, diese Art demokratisches Schattendasein in der Europäischen Politik zu beenden und den kulturellen Wandel politisch genauso ernst zu nehmen, wie den wirtschaftlichen.

 

Und wer richtig Lesestoff braucht, findet das Thema nochmals eingebettet, im Artikel: „Eine kurze, unvollständige Geschichte des Mangels an kulturpolitischen Debatten in Europa“, den Martina Michels für eine Publikation des Europäischen Hauses für Kultur schrieb und der gerade werschienen ist.