Bildung und Forschung für alle in der EU
Die Qualifizierung und gute Entlohnung von Bildungspersonal sowie Ausbau und Erhalt sozialer Infrastruktur muß von der öffentlichen Hand flächendeckend gewährleistet werden. Die EU, die Mitgliedstaaten und die Länder und Kommen stehen hier in gemeinsamer Verantwortung.
Mehr als Standort- und Elitenförderung
Im Bereich der Bildung- und Forschungspolitik hat die Europäische Union die Aufgaben, die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten und zwischen Bildungseinrichtungen sowie die Mobilität von Lernenden und Lehrenden zu unterstützen. Sie soll zur Förderung eines europäischen Verständnisses, unter anderem durch die Verbreitung und das Erlernen von Sprachen beitragen.
Für die Lehrinhalte und die Gestaltung der Bildungssysteme sind die Mitgliedstaaten verantwortlich. In Deutschland achten in erster Linie die Bundesländer strikt darauf, die Oberhoheit über die Bildungssysteme in der Hand zu behalten. Über die Einführung oder Abschaffung von Studiengebühren entscheiden sie, nicht das Europaparlament oder die EU-Kommission.
Die 28 Mitgliedsstaaten sowie auch die EU-Kommission sind in den Bologna-Prozeß eingebunden, dem inzwischen 47 europäische Staaten angehören. Die in diesem – unverbindlichen und intergouvernemental angelegten Prozeß vereinbarten Ziele Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit, gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse, Qualitätssicherung und Anknüpfungsfähigkeit an Berufspraxis sind für sich genommen zu begrüßen.
Praktisch jedoch haben Bachelor und Master oft zu mehr Problemen beim Hochschul- und Fachwechsel geführt, zu größerer Verschulung und Prüfungsstreß, zu weniger akademischer Freiheit oder eigenständigen Möglichkeiten der Studierenden. Bessere Berufsaussichten oder mehr Chancengleichheit sind durch den Bologna-Prozeß bisher nicht entstanden. Zum großen Teil ist dafür eine falsche Prioritätensetzung in der Haushaltspolitik in den Mitgliedstaaten verantwortlich. Das betrifft die ungenügende Finanzierung von Bildungseinrichtungen vom Kindergarten über Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen bis hin zur Erwachsenenbildung und schließlich auch das Bafög.
– Dennoch hat EU-Politik großen praktischen Einfluß im Bereich der Bildung und Forschung. Ganz direkt fördert sie zum einen den Austausch in verschiedenen Bildungsabschnitten von der Schule bis zur Erwachsenenbildung sowie im jugendpolitischen Bereich, beispielsweise mittels es Programms ERASMUS+.
Das neue ERASMUS+ steht nicht mehr nur für Stipendienzuschüsse für Studenten, sondern ersetzt die bisherigen sieben Programme für Auslandsaufenthalte von Lernenden und Lehrenden. Insgesamt stehen 2014-2020 14,7 Mrd. zur Förderung von Aus- und Fortbildung, Jugend und Sport zur Verfügung.
Die LINKE im EP unterstützt das Erasmus-Programm. Wir meinen jedoch, daß insbesondere die Mittelausstattung nicht ausreicht, um Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe für alle herzustellen.
– Das Europaparlament beschließt zusammen mit dem Rat Gesetze zum Beispiel über die gegenseitige Anerkennung von Hochschul- und Berufsabschlüssen und andere Aspekte, die die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Studenten innerhalb der EU betreffen.
Anhand von Jugend-Erwerbslosigkeitsquoten von 50% und mehr ist jedoch offensichtlich, daß Freizügigkeit allein nicht genügt. Notwendig sind gezielte, verbindliche und finanziell gut ausgestattete Initiativen zur Schaffung guter Arbeits- und Ausbildungsplätze für junge Menschen. Die so genannte „Jugendgarantie“ reicht dafür längst nicht aus.
– Im Rahmen des siebenjährigen Forschungsrahmenprogramms Horizon2020 fördert die EU 2014-2020 Forschungs- und Innovationsprojekte mit 80 Mrd. .
Das Ziel, die Forschungsaufwendungen zu erhöhen, hält DIE LINKE. im EP für richtig. Forschung sollte aber nicht nur Standortpolitik sein, die alles andere dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit unterordnet. Stärkerer Fokus sollte auf gesellschaftlich wichtige Forschungsprojekte gelegt werden, wie zum beispiel die Bekämpfung von Krankheiten, umweltfreundliche Technologien, Entwicklungsstrategien für Stadt und ländlichen Raum. Die Förderung von Rüstungs- und Sicherheitsforschung gehört aus unserer Sicht ganz klar nicht zum Aufgabenbereich der EU.
Linke EU-Politik steht für Bildung als ein Menschenrecht ein. Bildung ist ein öffentliches Gut, keine Ware und muß allen unabhängig von kultureller und sozialer Herkunft offenstehen. Ein demokratisches Europa braucht gute und demokratische Bildungssysteme. Bildung muß deshalb gebührenfrei sein. Dies gilt von der frühkindlichen Bildung über Schulen und Berufsausbildung bis zum Studium. Sie muß öffentlich verantwortet und finanziert werden. Privatisierungen im Bildungsbereich verstärken gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und schwächen die öffentlichen Bildungsinstitutionen. Gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle erfordern eine erheblich bessere Finanzierung der öffentlichen Bildungsinstitutionen.
Im Europäischen Parlament setzen wir auf höhere Fördermittel für Zuschüsse für Bildungs- und Ausbildungsprogramme. Bildungs-Darlehen hingegen, mit denen sich junge Menschen noch vor ihrem ersten richtigen Job verschulden, halten wir für falsch.
Bildungs- und Jugendpolitik darf nicht an bloßen Verwertbarkeitskriterien – Beschäftigbarkeit, Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit – ausgerichtet werden. Forschung und Bildung sollen nicht abhängig sein von Verwertungsinteressen privater Geldgeber. Nur so kann sichergestellt werden, daß auch gesellschaftlich wichtige, statt nur noch profitversprechende Forschung erfolgt, beispielsweise in Bereichen Arzneimittel, Klimaschutz und alternativer Energien, aber auch in den Gesellschaftswissenschaften. Lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen muß ein Angebot sein, statt Teil eines immer intensiveren globalen Wettbewerbs um „Humankapital“.
Auch nicht-formale Bildung und Kenntnisse aus ehrenamtlicher Arbeit zum Beispiel in Jugendorganisationen und Freiwilligentätigkeit soll stärkere Anerkennung erfahren. Solche Arbeit sowie Praktika verdient Unterstützung, darf aber keinesfalls als billiger Ersatz für gute Arbeitsplätze mißbraucht werden.