Iran: Eskalationsgefahr durch Sanktionen
Gestern hat die Europäische Union umfassende Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Damit wird die gesamte iranische Volkswirtschaft in die Knie gezwungen. Dem Land wird vorgeworfen, an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten. Allerdings liefern hierfür weder US-Geheimdienste noch der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) von 2011 stichhaltige Beweise für dessen derzeitige Existenz.
So kritikwürdig die jetzige iranische Regierung auch ist, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass der Konflikt um das Atomprogramm bereits deutlich vor dem Amtsantritt von Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad eskalierte. Seit vielen Jahren sieht sich das Land nun mehr oder minder unverhohlenen Kriegsdrohungen ausgesetzt. Hinzu kommt noch eine offensichtliche Destabilisierungskampagne: Sie reicht von der westlichen Unterstützung bewaffneter oppositioneller Gruppen und gezielten Tötungen iranischer Wissenschaftler über Sabotageakten bis hin zu den jüngsten Sanktionen.
Man muss bedenken, dass militärische Drohungen von Außen stets auch eine Verhärtung der innenpolitischen Zustände nach sich ziehen, wodurch sich Spielräume insbesondere auch für progressive Kräfte verkleinern. Zudem stärken erfahrungsgemäß verschlechterte Lebensbedingungen fundamentalistische Bewegungen.
Worum geht es den westlichen Staaten? Geht es denn wirklich darum in der Frage des iranischen Atomprogrammes eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu verhandeln? Oder besteht ihr eigentliches Ziel darin, in Teheran – durch Destabilisierung oder direkten Angriff – eine pro-westliche Marionettenregierung zu etablieren?
Sollte eine Verhandlungslösung angestrebt werden, wäre die Lösung einfach: Der Iran hat wiederholt angeboten, zu einer umfassenden Kooperation bereit zu sein, sollte er eine verlässliche Nicht-Angriffsgarantie erhalten. Dass eine solche Nicht-Angriffsgarantie nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurde und wird, schürt den Verdacht, das eigentliche Ziel bestehe in einem Regimewechsel. Doch progressive Veränderungen können nur von der Bevölkerung selbst initiiert und durchgesetzt werden.
Deshalb sind Drohungen, Muskelspiele und Sanktionen das Letzte, was in dieser Situation hilfreich ist – sie helfen allenfalls Hardlinern, die auf eine Eskalation drängen, an der aber keinem vernünftigen Menschen gelegen sein kann. Hilfreich wären eine verlässliche Nicht-Angriffsgarantie, die Beendigung der Destabilisierungskampagne sowie die Aufnahme von Verhandlungen über einen nuklearwaffenfreien Mittleren Osten.