Gipfelideen: Extreme Sparpolitik ohne demokratische Mitbestimmung

Nötig wären Änderung des Geschäftsmodells, starke Rolle des Parlaments und Referenden

Meine Damen und Herren,

die Plenardebatte dieses Hauses zu den Ergebnissen der Ratstagung vom 08. und 09. Dezember konnten Sie bereits am Vormittag verfolgen.   Der EU-Gipfel sollte einen Durchbruch bei der Lösung der internationalen Finanzkrise bringen. Davon kann man nicht ernsthaft sprechen. Es ist mehr als nur bedauerlich, dass extreme Sparpolitik und weniger Demokratie noch immer die einzigen Ideen der Staatschefs zur Krisenbewältigung sind.  

Ich fasse kurz die Haltung meiner Fraktion zusammen:  

Inhaltlich teilen wir die einseitige Ausrichtung auf Sparpolitik in den lebenswichtigen Bereichen der Gesellschaft nicht. Die Krise wurde und wird zum Angriff auf soziale Rechte missbraucht. Überall, wo diese Politik vorherrscht, gibt es kein Wachstum, mehr Arbeitslosigkeit, vergrößern sich Armut und Ungleichheit.  

Es ist begrüßenswert, dass 26 Mitgliedstaaten sich nicht darauf eingelassen haben, dem größten Finanzplatz der EU, London, Regulierungsfreiheit zu garantieren. Aber: Umfassende Finanzmarktregulierungen sind auch zwischen diesen 26 nicht verabredet worden. Dabei wäre es entscheidend, die systemischen Fehlkonstruktionen anzugehen, das „Geschäftsmodell“ zu ändern. Das heißt vor allem, die Staatsfinanzen von den Finanzmärkten und von der Bewertung durch Ratingagenturen zu lösen.  

Das bisschen Beteiligung der Finanzmarktspekulanten an Krisenfolgen, das im Juli vereinbart wurde, wird jetzt schamhaft als Ausrutscher bezeichnet und „Besserung“ gelobt. Das können diejenigen, bei deren Löhnen, Renten, Sozialleistungen weiter gespart wird, nicht nachvollziehen.  

Weil sture Haushaltsdisziplin der Grundtenor des 6-Pack ist, haben wir dieses Gesetzespaket hier im Parlament abgelehnt. Darin war aber wenigstens auch die Idee enthalten, Defizite und Überschüsse müssten ausbalanciert werden, damit die Währungs- und Wirtschaftsunion funktioniert.  

Davon ist in dem neuen Pakt keine Rede mehr. Dieser Pakt setzt sich damit über ein Votum des Europäischen Parlaments hinweg. Der Rat ignoriert auch die Forderung des Parlaments nach Einführung gemeinsamer Staatsanleihen (Eurobonds bzw. Stabilitätsbonds).  

Damit zum zweiten Hauptkritikpunkt meiner Faktion an den Gipfelergebnissen: Das Umgehen demokratischer und transparenter Entscheidungsstrukturen.  

Mit diesem neuen Vertrag wird ein Parallelpakt zu einzelnen Politiken der EU geschlossen, teilweise ergänzend, teilweise konkurrierend. Das Europäische Parlament wird dabei umgangen, Kommission und EuGH sollen aber als Dienstleister bereitstehen.  

Ich halte es für positiv, dass 26 Mitgliedstaaten inzwischen anerkennen, dass eine Währungsunion nicht ohne die Koordinierung anderer Politiken funktionieren kann. Diese Erkenntnis fordern auch wir ein. Aber: Zum einen ist die politische Ausrichtung wie eben beschrieben aus unserer Sicht falsch. Zum anderen dürfen so tiefgreifende Entscheidungen nicht ohne demokratische Kontrolle und Mitbestimmung getroffen werden. Ich nenne nur den Eingriff in das ureigene Recht nationaler Parlamente, nämlich das Haushaltsrecht. Der geplante neue Sparvertrag – dessen Details noch gar nicht vorliegen – scheint aber genau dem ausweichen zu wollen.  

Mehr Integration ist nötig – meines Erachtens auch zusammen mit Großbritannien. Wie die aussehen soll, darüber muss das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente und ggf. ein Konvent und Referenden in den Mitgliedstaaten mitentscheiden.