Sparen, bis auch kein Arzt mehr kommt
Austeritätspolitik und Armut in Griechenland
Jetzt haben die Griechen nicht mal mehr den Salat, nachdem Dressing, Oliven und Feta bereits im Mai 2010 gestrichen wurden: 78 Mrd. Euro soll Griechenland laut Parlamentsbeschluss von Ende Juni in den nächsten Jahren einsparen, bei weiterdrastisch sinkender Wirtschaftsleistung. Es ist, was selbst konservative Medien in Deutschland schreiben, »das härteste Sparprogramm aller Zeiten«. »Was denn?«,hört man allenthalben aus Deutschland, »die faulen Griechen müssen halt aufholen im Wettbewerb um die niedrigsten sozialen Standards zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit«, nur so könne die Schuldenkrise überwunden werden. Schließlich wurde auch Deutschland nur mit größten Anstrengungen seit der rot-grünen »Agenda 2010« Tabellenführer in der Disziplin des Sozialabbaus, der Niedriglöhne und infolgedessen des Außenhandelsüberschusses. Bereits im Jahr 2009 waren über 3 Mio. Griechen EU-offiziell von Armut betroffen, Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor. Klar ist jedoch, dass es noch weit schlimmer steht als vor 2 Jahren, denn das von EU und IWF diktierte Sparprogramm leistet ganze Arbeit. Man stelle sich das einmal für Deutschland vor: Mehrwertsteuer rauf auf 23 Prozent, Mineralölsteuer rauf, d. h. das Benzin wird noch teurer, 800 Mio. Euro weniger Löhne und Gehälter sowie längere Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst, 310 Mio. Euro weniger für das Gesundheitssystem. Das Renteneintrittsalter wird weiter erhöht, die Renten werden gekürzt, die Kriterien für den Bezug von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe werden verschärft. Die Arbeitslosenquote hat sich seit 2008 auf fast 16 Prozent mehr als verdoppelt, die Jugendarbeitslosigkeit liegt heute bei über 40 Prozent. Die Kaufkraft bricht ein, Staatsausgaben für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe schnellen in die Höhe. Seit dem ersten Rettungspaket im Mai 2010 haben 60.000 Geschäfte schließen müssen. Nach einer Vereinbarung der Regierung Papandreou mit IWF, EZB und EU-Kommission soll bis 2015 über eine »unabhängige Privatisierungsagentur« öffentliches Eigentum für 50 Mrd. Euro verkauft werden. Der nationalistische Diskurs, der in Deutschland zur Delegitimierung der sozialen Proteste in Griechenland geführt wird, verdreht die Fakten: Die »faulen Griechen« arbeiteten vor der Krise laut Eurostat 44,3 Stunden in der Woche, in Deutschland waren es 41 Stunden, im EU-Durchschnitt 41,7. Der durchschnittliche Urlaubsanspruch lag bei 23 Tagen im Jahr für die Griechen, den fleißigen Deutschen standen 30 Tage zu, um griechische Inseln mit Liegestühlen zu belagern. Laut OECD gehen griechische Männer mit 61,9 Jahren in Rente – Deutschland: 61,8 – und erhielten 55 Prozent er durchschnittlichen Renten in der EU, das waren 2007 617 Euro im Monat. Nach den Kürzungen leben noch mehr Rentner unter der Armutsgrenze. Griechenland spart, bis auch kein Arzt mehr kommt.