Machtkampf zwischen Parlament und Rat blockiert EU-Haushalt 2011
Plenarrede von Lothar Bisky
„Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Befürworter des Lissabon-Vertrages haben betont, dass mit diesem Vertrag das Demokratiedefizit der EU beseitigt würde.
Die Realität des ersten Jahres zeigt, dass selbst parlamentarische Mitsprache und demokratische Kontrolle durch das Europäische Parlament im zähen Ringen mit Rat und Kommission erkämpft werden müssen.
Mitentscheidung des Parlaments in allen Haushaltfragen ist ein demokratischer Mindeststandard, ich betone Mindeststandard.
Dieses Parlament wurde gewählt, um den europäischen Gedanken mit Leben zu erfüllen und ein Gegengewicht zu den nationalen Egoismen zu schaffen.
Es ist unsere Pflicht, keine Kompromisse einzugehen, wenn es um die Beteiligung des EP an den Verhandlungen über den Finanzrahmen für die Haushalte 2013 bis 2020 geht.
Neue Aufgaben können nicht – oder nur sehr begrenzt – durch Umschichtungen im Haushalt finanziert werden.
Angesichts der klammen Haushalte der Mitgliedstaaten ist es völlig unbegreiflich, dass der Rat sich weigert, gemeinsam mit dem Parlament über die Eigenmittel zu diskutieren.
Der europäische Haushalt muss konkret gestaltete Solidarität der Mitgliedstaaten sein.
Anderenfalls verabschieden wir uns von der Grundidee der europäischen Integration und verlieren das Ansehen der Bürger.
Die Nettozahler scheinen das vergessen zu haben.
Während ihre Unternehmen auf dem europäischen Binnenmarkt Gewinne erzielen, geizen Deutschland und andere,
wenn es um die Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen für Europa geht.
Solidarität wird umdefinier: Man hilft, wenn es einem selber nützt.
Deutsche Banken sind so tief in die Krise des irischen Finanzsektors verstrickt, dass der Schirm für die Retter ebenso notwendig ist wie für die Geretteten.
Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren den EU-Haushalt abgelehnt.
Wir meinen, dass die Prioritäten falsch gesetzt sind, dass der Überwindung des ökonomischen und sozialen Wohlstandsgefälles zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Damit wird die soziale Spaltung in der EU und innerhalb der Mitgliedsstaaten vertieft.
Es ist völlig inakzeptabel, Großprojekte wie den ITER auf Kosten von Projekten zu finanzieren, die bei den Studenten und Arbeitslosen, den ländlichen Regionen und in den Kommunen direkt ankommen.
Es ist an der Zeit, stärker an die Menschen in Europa zu denken und zwar europäisch und nicht egoistisch national.“