Historischer Erfolg für türkische Gewerkschaften
Internationale Solidarität zum 1. Mai 2010 in Istanbul
Nach mehr als 30-jährigem Versammlungsverbot erwarten türkische Gewerkschaften 250 000 Teilnehmer zur Kundgebung in Istanbul / EU-Abgeordneter Jürgen Klute (DIE LINKE.): Internationale Solidarität hat geholfen.
250 000 TeilnehmerInnen – mit einer Zahl, die deutschen Gewerkschaften Freudentränen in die Augen treiben würde, rechnen die Veranstalter der 1. Mai-Demonstration in Istanbul. Doch nicht nur die Zahl ist rekordverdächtig: Erst im vergangenen Jahr wurde der 1. Mai in der Türkei zum offiziellen Feiertag und jetzt ist es soweit, dass erstmals seit 1977 auf dem Taksim-Platz der Metropole am Bosporus eine Gewerkschaftsdemonstration genehmigt ist.
Damals hatten die Gewerkschaften ebenfalls zu einer Maidemonstration aufgerufen, Hunderttausende waren dem Aufruf gefolgt, als aus umliegenden Häusern auf die Menschen geschossen wurde. 34 Tote, 453 Festnahmen. Bis heute ist das Blutbad noch nicht endgültig aufgeklärt, auch wenn einige Indizien darauf hinweisen, dass Regierungsstellen zumindest an der Schießerei beteiligt waren. Noch am 1. Mai 2008 war es auf dem Taksim-Platz zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gewerkschaften gekommen: Die Gewerkschaften hatten zur Demonstration aufgerufen, obwohl sie nicht genehmigt worden war.
Für Jürgen Klute, der als einziges Mitglied des Europäischen Parlaments nach Istanbul reist, hat die Demonstration aber nicht nur historische Bedeutung. „Der Einsatz internationaler Gewerkschaftsdelegationen hat dazu beigetragen, dass der 1. Mai nun auch in der Türkei ein gesetzlicher Feiertag ist – die von vielen Seiten geforderte internationale Kooperation funktioniert hier also hervorragend,“ so der Abgeordnete der LINKEN. Klute will nun die Gelegenheit nutzen, die Kontakte zu den türkischen Gewerkschaften zu vertiefen.
Klute weiter: „Hier zeichnet sich eine sehr spannende Entwicklung ab, die in der EU kaum wahrgenommen wird: Während auf Drängen der EU das bislang staatliche Tabak- und Alkoholmonopol privatisiert und die Lagerarbeiter entlassen wurden, kämpften türkische Gewerkschaften und MitarbeiterInnen gemeinsam mit ihren kurdischen KollegInnen um ihr Recht.“
Knapp 80 Tage lang hatten sie vor der Gewerkschaftszentrale campiert und ihren Betrieb bestreikt, bis sie Anfang März trotz aller Proteste entlassen wurden. Dass es in diesem Jahr nicht zu Auseinandersetzungen auf dem Taksim-Platz kommen wird, davon sind die Veranstalter ebenso überzeugt wie die 30 bis 40 ausländischen Gewerkschafter und Politiker, die am Bosporus erwartet werden. „In der europäischen Kulturhauptstadt 2010, und das zeigt sich morgen, ist selbstverständlich Platz für Arbeitnehmerrechte, für Versammlungsfreiheit und andere Formen der Alltagskultur“, so Klute.
Und auch für die ehemaligen Mitarbeiter des Tabak- und Alkoholmonopols wird Platz sein: Selbstverständlich sind sie auf dem Taksim-Platz dabei. Und am Sonntag sind sie wieder in Ankara, wo sie seit ihrer Entlassung immer zum Monatsanfang auf ihre Situation aufmerksam machen.