Atomabkommen: Trump endlich die Flausen austreiben
Für den heutigen Freitag wird erwartet, dass US-Präsident Donald Trump darüber entscheidet, ob er die Sanktionen gegen den Iran weiterhin aus- oder wieder einsetzen will. Nachdem sich also gestern Abend die Vertreter*innen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der EU hinter das Atomabkommen mit dem Iran stellten, liegt es an Washington, ob das über Jahre hinweg ausverhandelte Abkommen in seiner jetzigen Form bestehen bleiben kann oder ob einer der wichtigsten Vertragspartner ernsthaft beabsichtigt auszusteigen. Dazu Cornelia Ernst, Vize-Vorsitzende der EP-Delegation für die Beziehungen mit dem Iran und Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament:
„Wir stehen hinter den Protesten und solidarisieren uns ganz klar mit den Anliegen und Forderungen der Demonstrierenden im Iran. Auf meinen Reisen in das Land konnte ich mir nur allzu häufig ein Bild von der Grundlage dieser Proteste machen: Die Menschen haben Recht mit ihrer Forderung nach einem Leben in Würde und nach der verlässlichen Garantie von Grundrechten, gerade die vielen Minderheiten des Landes genießen kaum rechtlichen Schutz. Diese seit Ende des letzten Jahres aufkeimenden Proteste in einem Großteil der iranischen Städte werden jedoch von Donald Trump dazu missbraucht, seine von Geschäften geleitete Interessenspolitik in der Region weiter voranzutreiben. In erster Linie bedeutet das für ihn und seine Geschäftspartner, Saudi-Arabien in der Region den Rücken freizuhalten, indem dessen größter regionalpolitischer Widersacher alleine an den Pranger gestellt wird. Aufrichtige demokratische Proteste für die eigene Machtpolitik zu missbrauchen, ist nicht nur unredlich, sondern auch brandgefährlich. Sollte ein kriegerischer Konflikt in der Region ausbrechen, würde er sich rasant zu einem Flächenbrand entwickeln, den dann aber niemand mehr zu kontrollieren vermag, das wäre katastrophal, für uns alle!“
„Egal wie der Mann im Weißen Haus heute entscheiden wird, die klare Unterstützung der EU-Partner für das Atomabkommen gibt ein unmissverständliches Signal in Richtung Donald Trump, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Vor diesem Hintergrund möchte ich auch die Reaktion der Vertreter*innen der EU und ihrer Mitgliedstaaten sehen: Zwar begrüße ich ihr Festhalten am Abkommen und die Emanzipation in dieser Frage von den USA ausdrücklich, doch sollten sie ihren Appellen in Richtung Teheran gleichermaßen Appelle in Richtung Riyad folgen lassen, andernfalls beteiligen sich auch die EU-Vertreter*innen weiterhin daran, die Ungleichgewichte in der Region voranzutreiben.“
„Auf unserer Delegationsreise nach Teheran im letzten Monat bekamen wir die Gelegenheit, mit Vertretern und Vertreterinnen des iranischen Parlaments zu sprechen, auch mit Außenminister Zarif führten wir Unterredungen, bei denen das Atomprogramm naturgemäß eine zentrale Rolle spielte: Wir dürfen nicht den Fehler begehen, und den internen Machtkampf der iranischen Politik übersehen. Kritik an Rohani ist angebracht und notwendig, ebenso wie die volle und aufrichtige Solidarität mit der iranischen Zivilgesellschaft. Jedoch ist es auch Rohani, der die Freilassung der Studierenden forderte und sich gegen die Bestrebungen der Justiz wendet, die Sozialen Medien im Land unter staatliche Kontrolle zu bringen beziehungsweise zu sperren. Die eigentlichen Hardliner sind die Ajatollahs und der schiitische Klerus, die dem Saudi-Clan beziehungsweise ihrem missionarischen Wahhabismus in nichts nachstehen – mit seinem Gepolter und abstrusen Bewertungen hetzt Donald Trump eben jenen in die Hände.“
„Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen nun alles daran setzen, das testosterongesteuerte Säbelrasseln am Golf einzudämmen und keinen Raum mehr für militärische Provokationen zu lassen. Um die Lage in der Region zu entspannen, muss auch Saudi-Arabien endlich am Schlafittchen gepackt werden, diplomatische oder wirtschaftliche Konsequenzen zu spüren bekommen und der schreckliche Stellvertreterkrieg im Jemen eine übergeordnete Rolle für die Politik der EU einnehmen. Vielleicht bietet die Abkehr Trumps von Stephen Bannon die Möglichkeit, dem US-Präsidenten diese Notwendigkeiten einzuflüstern. Das Atomabkommen muss jedenfalls unbedingt erhalten bleiben.“