Ein Gipfel der Widersprüche!

Helmut Scholz, DIE LINKE. im Europäischen Parlament: „Frau Präsidentin, Frau Ministerin! Der morgen in Riga beginnende Gipfel zur Östlichen Partnerschaft wird ein Gipfel der Widersprüche sein. Das zeigen bereits die Ankündigungen zum Gipfel, in denen man zwar von differenzierten Beziehungen spricht, aber zugleich die Fortsetzung der bisherigen EU-Politik, ungeachtet der Erwartungen der Partner, ankündigt. Offensichtlich haben Sie Recht, Herr Saryusz-Wolski, wenn Sie auf das Ausbleiben der Kommission hier im Plenarsaal verweisen.

Widersprüche kennzeichnen auch die inhaltlichen Schwerpunkte des Gipfels: Verstärkung der Rechtsstaatlichkeit – ja. Aber wir haben zu fragen, was die EU konkret unternimmt, damit in Moldau nicht korrupte Oligarchen mal so einen Ministerpräsidenten aus dem Amt kippen, die Ukraine nicht entgegen unseren Grundwerten nach Gutdünken Parteien verbieten kann. Gut drei Viertel der Bevölkerung der Ukraine bescheinigen nach einer gerade publizierten Umfrage des Gorschenin-Instituts der Regierung in Kiew, dass es keine realen, tiefgreifenden und seit den Majdan-Protesten lang erwarteten Reformen gibt. Das sind Realitäten, an denen sich der Gipfel zu messen hat.

Eine weitere Realität für Riga ist, dass es Menschenrechte und Demokratie nur schwer geben kann, wenn man die sozialen Rechte, die Fragen der sozialen Gerechtigkeit von Anbeginn außen vor lässt: Arbeitslosenraten von knapp 20 % in Armenien und Georgien – bei den Jugendlichen liegen diese noch sehr viel höher – und eine sich fast halbierende Frauenerwerbsquote wie in Moldau signalisieren tiefgreifende sozialökonomische Transformationsprozesse, die mehr erfordern als die „Entwicklung von Marktchancen“.

Diesen Fragen müssen wir uns stellen – wir, der Rat und die Kommission –, denn die Östliche Partnerschaft ist mehr als Geopolitik, sie ist vor allem gemeinsam gestaltete Politik und Entwicklung.“