Kann die EU die Ukraine unbürokratisch unterstützen?

Helmut Scholz, Europaabgeordneter der LINKEN: „Frau Präsidentin, Herr Kommissar, Herr Caspary! Ich sage ganz deutlich: Meine Fraktion wird wie im Ausschuss den Vorschlag ablehnen. Wir wissen, dass die Ukraine sehr dringend finanzielle Hilfe braucht, kurzfristig und in großer Höhe. Das ist aber keine neue Situation. Die hat bereits als Situation vor dem Vilnius-Gipfel Bestand gehabt, und auch damals ging es darum, ob die Kommission, ob die EU bereit ist, kurzfristig unbürokratisch Hilfe zu leisten, ja oder nein?

Damals haben wir uns nicht auf den Weg gemacht und diese Frage ehrlich beantwortet, sondern wir haben politisch mitgespielt in dem selbstverschuldeten geopolitischen Geschacher um die Ukraine. Und die Menschen in der Ukraine hatten keine Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, wie sie künftig ihre außenwirtschaftliche, außenpolitische Orientierung vornehmen wollen. Das gehört mit zu dem Paket, das wir heute hier besprechen müssen. Ich spreche jetzt nicht über die makrofinanzielle Hilfe und Unterstützung. Das ist auch nochmal ein Paket ohne Mitentscheidungsmöglichkeit des Europäischen Parlaments, bei dem nur die Kommission nach § 213 EUV vorgeht.

Aber wir sprechen heute über die Zollabsenkung. Da geht es erstens darum, dass die Kommission nach eigener Interessenslage bestimmt, welche Produkte ausgenommen werden von der Zollabsenkung. Wir reden zweitens darüber, denjenigen ukrainischen Unternehmen einen Impuls zu geben, die das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger beeinflussen. Bei der gegebenen Warenstruktur des Außenhandels mit der Ukraine reden wir also über Wirtschaftsoligarchen aus der Schwarzmetallurgie, der chemischen und der extraktiven Industrie, der Industrie aus dem West-, aber auch aus dem Ostteil des Landes — 65 % der EU-Importe. D. h. mit dem wirtschaftspolitischen Effekt der Zollaufhebung in diesem Bereich, den wir als Null einschätzen, verfolgt die Kommission offensichtlich mit dieser Zollpolitik das Ziel, den eher innenpolitischen Zielen der Ukraine — nämlich vor den Präsidentschaftswahlen — einen bestimmten Effekt und Unterstützung zu geben. Und der marode Hrywnja wird genau diese Zollabsenkung wieder auffressen.

Drittens reden wir darüber, dass die Kommission argumentiert, es handele sich um eine Höhe von 500 Millionen Euro. In der ökonomischen Realität bedeutet das aber nichts weiter als deutlich gesenkte Einkaufspreise für europäische Konzerne in Zeiten einer leichten Wirtschaftsbelebung. Und viertens müssen wir darüber reden, ob diese Zollabsenkung einer Prüfung der WTO-Regeln standhält.“

(Der Redner ist damit einverstanden, eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ gemäß Artikel 149 Absatz 8 Geschäftsordnung zu beantworten.)