Gleichbehandlung für Saisonsarbeiter und inländische Arbeitskräfte

„Es gibt ein deutsches Sprichwort, das heißt: Das Glas ist halb voll oder das Glas ist halb leer. Bei der Richtlinie kann sich jeder selbst ein Urteil bilden. Aber bevor wir es tun, sollten wir auf die Ausgangsbedingungen schauen, wie gegenwärtig Saisonarbeiter in unseren Heimatländern ihre Existenz fristen: in verrotteten Häusern, zu Wuchermieten, für Hungerlöhne, ohne Arbeitsverträge, Arbeitsschutz, soziale Ansprüche, Rechtsschutz, als Gegenstand wirklich hemmungsloser Ausbeutung. Was ist da für die Lösung am besten? Das Verbot von Saisonarbeit? Werden dann keine Saisonarbeiter mehr nach Europa kommen? Das ist der falsche Ansatz. Es muss um den Schutz und die Würde dieser Menschen in der EU gehen.

Und wir müssen und wir können mit einem ersten Schritt, mit dieser Richtlinie, die katastrophalen Zustände im Umgang mit Saisonarbeitern wirklich abschaffen, ihr Leben verbessern, sie aus dem Grau der Rechtlosigkeit herausholen. Dafür gibt es mit der Richtlinie wirkliche Fortschritte, die wir als Linke auch unterstützen: das Recht auf angemessene Unterbringung — Stichwort Rosano –, Gleichbehandlung, gleiche Bezahlung wie inländische Arbeitskräfte, die Anwendung von Tarifverträgen, Rechtsschutz für Saisonarbeiter. Dazu gehören auch die Androhung und die Wirksamkeit von empfindlichen Sanktionen für Arbeitgeber, die diese Richtlinie verletzen.

Aber das Glas ist auch halb leer. Denn die Richtlinie gilt nur — da haben wir leider nicht das Ergebnis erreichen können — für Drittstaatsangehörige, die nicht schon in der EU leben. Der Hauptsitz muss also außerhalb der EU sein. Familienzusammenführung — das ist ein Problem — wird es nicht geben, und die Übergangsregelungen sind ziemlich lang.

Aber der Ball liegt jetzt bei den Mitgliedstaaten, die Richtlinie wirklich konsequent umzusetzen, mit starken Kontrollgremien. Der Erfolg wird dort am wirksamsten sein, wo flächendeckende Tarifverträge vorhanden sind, gesetzliche Mindestlöhne und anständige soziale Bedingungen auch für die eigenen Bürger. Denn ein soziales Europa beginnt bei uns zuhause.“