Die Antworten bleiben hinter heutiger EU-Realität zurück
Helmut Scholz, Europaabgeordneter der LINKEN.: „Ich möchte mich auch bei den beiden Berichterstattern für ihre Arbeit an diesem Bericht bedanken. Zugleich möchte ich unser Bedauern zum Ausdruck bringen, dass die Vorschläge unserer Fraktion in dem Bericht nicht ihren Niederschlag gefunden haben.
Der Bericht geht durchaus wichtigen Fragen nach, so der Frage, wie wir mit der Tatsache umgehen, dass der Rat zunehmend die Gemeinschaftsmethode aushöhlt, dass er es vorzieht, sich bei der Krisenlösung außerhalb des EU-Rechts aufzuhalten, dass das Ausbalancieren von Erfordernissen der Integration und der Anforderungen aus der Erweiterungspolitik gerade vor dem Hintergrund zunehmend kultivierter Konflikte zwischen den Interessen der Mitgliedstaaten deutlich komplizierter wird und dass die heutigen Kompetenzen des Europäischen Parlaments und die Rechenschaftspflicht ihm gegenüber nicht mehr ausreichen.
Die Schlussfolgerungen, liebe Berichterstatter, aus dem Bericht sind nachvollziehbar, aber wir teilen sie nicht. Welches sind die Punkte, die wir nicht teilen? Seit Monaten diskutieren wir doch hier im Haus die unzureichende Legitimität der gegenwärtigen EU-Politik und der EU-Institutionen und ihrer Rolle dabei. Der Bericht verpasst es aber, das Demokratiedefizit vom Kern her anzugehen. Er macht keine Vorschläge, wie die Kluft zwischen der Europäischen Union, ihrer Politik, ihren Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern aufgehoben werden kann. Zugegeben: Der Bericht fordert mehr Beteiligung des Europäischen Parlaments. Aber gleichzeitig schlägt er vor, die umgekehrte qualifizierte Mehrheit in den EU-Rahmen zu integrieren, um zukünftige Verträge ohne die Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu ratifizieren. Das wird nicht funktionieren.
Eng damit verbunden ist das Konzept der differenzierten Entwicklung, welches im Bericht entwickelt wird. Es orientiert auf eine verstärkte Anwendung von Artikel 20 des EU-Vertrags, um beim business as usual zukünftig mittels der verstärkten Zusammenarbeit voranzukommen. Unsere Fraktion will Veränderungen in der EU-Politik und kein „weiter so“ mittels Koalitionen der Starken, der Guten oder der Willigen. Dazu gehört doch auch, die Governance in der EU auf Basis der Gemeinschaftsmethode unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips zu entwickeln. Das mag alles langsamer gehen, aber es entspricht und fordert zutiefst demokratische Rückbindungen in die Gesellschaft.
Der Bericht berücksichtigt die sich verschärfenden Ungleichgewichte zwischen der Wirtschaftspolitik und der Sozial- und Beschäftigungspolitik nur unzureichend. Er verweigert sich der Forderung nach einer Sozialcharta, welche die Arbeitsrechte auf die gleiche Stufe mit den vier Grundfreiheiten stellt. Nicht einmal die Vorschläge des Beschäftigungsausschusses fanden Eingang in den Bericht.
Es bleibt das Fazit: Ja zu den Fragen, die Antworten bleiben aber deutlich hinter heutiger EU-Realität zurück.“