Handelsstreit zwischen EU und Russland beilegen
Helmut Scholz, MdEP DIE LINKE, Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel:
„Herr Präsident, Herr Kommissar! Wir richten heute eine Reihe sehr konkreter und auf die Praxis bezogener Fragen an die Kommission. Das finde ich sehr richtig. Der eigentliche politische Hintergrund dieser Debatte ist jedoch das angespannte Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Russland. Beide ringen um den Einfluss auf die Staaten und Ökonomien in ihrer Peripherie.
Meine Fraktion erkennt ausdrücklich das Recht souveräner Staaten an, ihre Handelspartner selbst zu wählen und Abkommen auszuhandeln. Wir kritisieren hingegen, wenn die Kommission den Wunsch des Rates nach Einflusserweiterung ungezügelt umsetzt, ohne sich mit den wirtschaftlichen Konsequenzen für die Menschen in den Ländern auseinanderzusetzen, die von diesem Konflikt letztlich betroffen sind.
Wir zwingen diese Länder, sich für den Westen oder für Russland zu entscheiden, indem die Kommission Handelsabkommen mit der EU und den russischen Ansatz der Zollunion für unvereinbar erklärt. Das Gleiche tut auch Putins Russland. Damit wird diesen Ökonomien die Chance genommen, von einer Rolle als Vermittler zwischen den Wirtschaftsräumen zu profitieren.
Bis zu 80 % — wir sprechen hier von Fakten — der ukrainischen Unternehmen sind heute vom Handel mit Russland abhängig. Für Georgien ist Russland der wichtigste Handelspartner, für Armenien ebenfalls. Moldawien wird den Verlust an Weinexporten nach Russland mittelfristig nicht ersetzen können.
Eine sofortige Anwendung der EU-Abkommen würde die Tür vor der russischen Nase zuschlagen. Bestehende Produktions- und Vertriebsketten würden durchschnitten, ohne dass unmittelbarer Ersatz angeboten werden könnte. Hat die Kommission entlassenen Arbeitern in der Ukraine oder in Georgien irgendeine Hilfestellung anzubieten? Das haben wir vor anderthalb Jahren bereits einmal diskutiert, und bis heute haben wir keine konkreten Fakten auf dem Tisch.
Es liegt nicht einmal ein Gesetzentwurf für Schutzklauseln vor, der EU und Partner vor Marktüberschwemmungen schützen könnte. Das macht aus meiner Sicht die geplante provisorische Anwendung des Ukraine-Abkommens schon formal unmöglich.
Wir müssen endlich eine Kohärenz von Außenpolitik, Nachbarschaftspolitik und Handelspolitik herstellen. Bringen wir endlich unser Verhältnis zu Russland zu einer friedlichen und für alle förderlichen Zusammenarbeit. Darin liegt letztlich der Schlüssel für die Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen aller 50 Staaten in unserer gemeinsamen Region.“