Linke Fraktionsvorsitzende mahnt Hollande: Gehen Sie keine Kompromisse ein!
Rede im Plenum von Gabi Zimmer
Wo sind wir heute angekommen? Sind wir wirklich dabei, die Ursachen der Krise zu beseitigen? Leider nein. Die Schuldenkrise kann nur überwunden werden, wenn die darunter liegenden globalen Krisen, also auch die Krise der Akkumulation des Kapitals, überwunden werden, wenn es um die Bekämpfung der globalen Finanzwirtschaftskrise und auch des Klimawandels und vor allem der Sozialkrise geht.
Im Allgemeinen gilt ja: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Ja, manchmal sind aber auch Reden sehr wichtig, vor allem dann, wenn sie einen Kontrapunkt zu den Auslassungen anderer Regierungschefs setzen.
Ihre Wahl zum Präsidenten hat eine ganze Reihe von Hoffnungen genährt — in Frankreich und auch in anderen Ländern der Europäischen Union. So haben Sie die Verbindung zwischen der Staatsverschuldung und der Verschuldung der Banken betont. Wegen der Bankenrettung ist die öffentliche Verschuldung der Euro-Zone von 66 % des Bruttoinlandproduktes auf 92 % im vergangenen Jahr gestiegen, ohne dass sich das tägliche Leben der Menschen verbessert hätte.
Sie selbst haben auch immer wieder das Fehlen einer echten Regulierung der internationalen Finanzmärkte kritisiert. Sie haben sich in Ihren Reden gegen die Doktrin der Austerität gewendet und damit die Hoffnung auf einen Kampf um die Erneuerung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Europa genährt. Sie haben selbst immer gesagt, dass eine Reorientierung Europas äußerst wichtig wäre.
Damit sind Sie nicht allein. Viele politische Kräfte unterstützen genau einen solchen Ansatz, viele angesehene Ökonomen haben ähnliche Argumente gebracht. Die Frage lautet jetzt aber: Wo sind wir heute angekommen? Sind wir wirklich dabei, die Ursachen der Krise zu beseitigen? Leider nein. Die Schuldenkrise kann nur überwunden werden, wenn die darunter liegenden globalen Krisen, also auch die Krise der Akkumulation des Kapitals, überwunden werden, wenn es um die Bekämpfung der globalen Finanzwirtschaftskrise und auch des Klimawandels und vor allem der Sozialkrise geht. Davon sind wir weit entfernt.
Die internationalen Finanzmärkte spekulieren längst wieder hemmungslos mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen, Immobilien und Boden. Der Europäische Rat hat beschlossen, dass 120 Milliarden für Wachstum bereitzustellen sind. Welches Wachstum bitteschön? Wohin gehen die Investitionen, welches Geld wird tatsächlich eingesetzt? Werden die drastischen Reduzierungen der öffentlichen Ausgaben ebenso gestoppt wie beispielsweise der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums? Geht es wieder um Finanzierung von Bildung, Gesundheitswesen, sozialen Ausgaben für Umwelt und öffentliche Dienstleistung?
Jedes Prozent Austerität bringt gleichzeitig einen Verlust an Wachstum. Austerität und Lohnzurückhaltung sind Gift. Der Rat verschärft die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten. Er pokert aber gleichzeitig um Milliardendefizite für laufende und kommende EU-Haushalte. Er zieht der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik die Zähne. Sie haben vorhin gesagt, Sie stehen für die EU-Kohäsionspolitik. Dann wenden Sie sich aber bitte auch konsequent gegen die makroökonomischen Konditionalisierungen, denn das passt nicht zusammen. Das Gefälle zwischen dem Zentrum der EU und der Peripherie verfestigt sich. Setzen Sie sich auch für das Hilfsprogramm für Mittellose ein! Gehen Sie keinen Kompromiss ein! Gehen Sie keinen Kompromiss am Freitag ein, der nicht genau diese Zielstellung auch in den Mittelpunkt stellt und deutlich sagt: Daran wird die EU scheitern, wenn sie diese Programme einfach streicht und wenn sie diese Zielstellung aufgibt.
Über die Jugendarbeitslosigkeit ist viel gesprochen worden. Womit soll aber die Jugendgarantie finanziert werden? Es geht um sozialrechtlich abgesicherte Arbeitsplätze für junge Menschen. Tragen Sie dazu bei, dass nicht wieder ein neues Heer, prekär beschäftigter Jugendlicher geschaffen wird! Wir brauchen eine ambitionierte europäische Initiative, die die Zukunft der Jugend garantiert.
Ein letztes Wort noch zu Mali. Im Unterschied zu vielen anderen hier im Saal halten wir die militärische Intervention für den falschen Weg. Die mittelfristigen und langfristigen Folgen sind nicht absehbar. Sicher ist nur, dass die lokale Zivilbevölkerung am meisten leiden muss. Auch wir als EU tragen Verantwortung für den Konflikt in Mali. Nicht nur unsere Außen- und Handelspolitik, sondern vor allem auch der Glaube an die Exportfähigkeit unserer westlichen demokratischen Institutionen hat versagt. Lassen Sie mich an dieser Stelle auf einen Aufruf aus der Gemeinde Falea in Mali verweisen: Kein Rohstoffabbau gegen Menschenrechte, Demokratie und Umwelt! Unterstützen Sie — nehmen Sie gerade angesichts der militärischen Intervention in Mali die Gelegenheit wahr — unterstützen Sie den Protest dieser Gemeinden und sorgen Sie dafür, dass die EU-Afrika-Strategie tatsächlich mit Leben erfüllt wird, dass es um Gerechtigkeit geht, dass es um Umweltschutz geht, dass es um Lebensbedingungen für Menschen und Natur geht. Das wäre eine Herausforderung auch für Frankreich, für die Europäische Union. Da haben Sie uns an Ihrer Seite.