Wird Teheran hofiert?
„Fragwürdig“ – ein Interview mit der Europaabgeordneten Cornelia Ernst (DIE LINKE)
nd: Ende Oktober wollen Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen des Europaparlaments nach Iran reisen, Sie sind als Vizepräsidentin der Delegation für die Beziehungen zu dem Land dabei. Warum gerade jetzt?
Ernst: Es ist ein erneuter Versuch, diese Delegationsreise endlich durchzuführen. Dreimal ist der Besuch bereits gestoppt worden, einmal durch den EU-Parlamentspräsidenten, zweimal durch die Iraner. Wir haben als Mitglieder der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu Iran aber den Auftrag, Kontakte zu knüpfen und den Dialog zu führen. Was sich übrigens nicht auf die Regierungsseite beschränkt. Bei der geplanten Reise stehen auch Treffen mit Oppositionellen auf der Tagesordnung. Wir wollen den Dialog, weil er die einzige Alternative zu einem militärischen Konflikt ist.
Die Sanktionspolitik gegenüber Teheran, die auch von der EU mitgetragen wird, wird damit bewusst konterkariert?
Ja, und das ist auch richtig so. Die Sanktionspolitik ist völlig untauglich. Wir haben Einschätzungen von Oppositionellen aus Iran, wonach die Sanktionen heute vor allem die relativ breite Mittelschicht treffen, also diejenigen, die noch etwas zu verlieren haben. Und das führt letztlich dazu, dass diese Menschen förmlich dazu getrieben werden, das Regime zu unterstützen. Auch die Argumentation, nur mit Sanktionen und Drohungen könne ein militärisches Atomprogramm Irans verhindert werden, ist verlogen. Schließlich werden diese Forderungen ausgerechnet von Atommächten erhoben. Wir fordern zudem, dass der ganze Nahe Osten eine atomwaffenfreie Zone wird.
Einige iranische Oppositionsgruppen kritisieren, die Reise hofiere Teheran.
Wenn wir dafür eintreten, einen Dialog zu führen, statt aufeinander zu schießen, hat das überhaupt nichts mit Kollaboration mit Teheran zu tun. Ein Hofieren Teherans wird mit breiter Mehrheit im Europaparlament abgelehnt. Und die Mitglieder der Reisedelegation sind durch die Bank strikte Gegner des iranischen Regimes.
Was glauben Sie denn, mit dem Besuch erreichen zu können?
Zunächst einmal können wir europäische Politik erklären. Das macht ja niemand. Es gibt die Sanktionen und fertig. Im Vordergrund steht für uns bei der Reise aber die Menschenrechtsproblematik, wir wollen Rechtsverletzungen durch Teheran sehr nachdrücklich ansprechen. Wir wollen mit Menschenrechtsaktivisten vor Ort sprechen, mit Frauenaktivistinnen, mit Vertretern von Minderheiten. Dafür gab es seit Jahren keine Möglichkeit. Wenn uns das gelingen sollte, könnten wir einerseits Informationen aus erster Hand erhalten und andererseits ein deutliches Signal setzen, wie wichtig uns diese Problematik ist. Selbstverständlich wollen wir nach der Reise ausführlich über die Situation in Iran berichten und Empfehlungen für europäische Politik geben.
Haben Sie nicht Sorge, dass die vorgesehenen Treffen mit Oppositionellen oder auch Ihre Besuche in der Grenzregion von den Behörden Irans entsprechend gesteuert werden?
Das ist eine reale Gefahr. Aber wir fahren nicht als Urlauber nach Iran. Ich lese mich durch alle Zuarbeiten der Nichtregierungsorganisationen und werde gezielte Fragen stellen. Aber natürlich ist die Reise nach Iran nicht vergleichbar mit einem Abstecher in die Schweiz.
Fragen: Uwe Sattler
Das Interview erscheint in der Printausgabe des Neuen Deutschland vom 19. Oktober 2012
und ist online unter http://www.neues-deutschland.de/artikel/801664.wird-teheran-hofiert.html zu finden.