Volk oder nicht Volk?
Die politische Rechte hetzt im EU-Parlament gegen Zuwanderung.
Die fraktionslose Rechte, Europa der Freiheit und Demokratie (EFD) sowie die Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR, nach der englischen Bezeichnung European Conservatives and Reformists) betrachten sich selbst als rechte Opposition im EU-Parlament. Ihr ideologischer Kern ist der Bezug auf das nationale »Volk«, ethnisch, historisch oder kulturell definiert. Wie sehen ihre Positionen zu Zuwanderung aus?
Andreas Mölzer von der rechtsextremen FPÖ meint beispielsweise: »Im Mittelpunkt müssen immer noch die legitimen Interessen der historisch gewachsenen Völker Europas stehen. Um sie vor einer ungezügelten Massenzuwanderung aus der Dritten Welt zu schützen, braucht Europa endlich eine familien- und geburtenfördernde Politik. Und ebenso braucht Europa eine konsequente Rückführungspolitik für die Abertausenden von illegalen Zuwanderern, die sich in der EU aufhalten.« Nick Griffin von der British National Party, die bis 2010 nur Weißen die Parteimitgliedschaft erlaubte, ist davon überzeugt, dass die EU-Kommission den Multikulturalismus als ein Mittel tel begreift, um das Regieren in Europa zu vereinfachen, da er mit einer Verwässerung der Kultur, des Erbes und der Identität der einheimischen Völker jeder einzelnen europäischen Nation verbunden ist«. Jetzt könnte eingewendet werden, so paranoid argumentieren nur die fraktionslosen Rechten. Die will ja ohnehin keiner in der Fraktion haben!
Sieht es denn in der Fraktion EFD, die als ganz normale Fraktion am parlamentarischen Geschehen teilnimmt und in vielen gemeinsamen Entschließungsanträgen der demokratischen Fraktionen eingebunden ist, anders aus? Fiorello Provera von der italienischen Lega Nord klagte, er sei »es leid, illegale tunesische Einwanderer zu sehen, die streiken, weil ihnen kein Geld für Zigaretten gegeben wird, die sich weigern, Nahrungsmittel mit Thunfisch zu essen, weil diese nach Fisch riechen, und wenn sie dann erst einmal in Italien sind, Wohnraum und Arbeit (gratis versteht sich) verlangen «. Und Gerard Batten von der United Kingdom Independence Party ist davon überzeugt, eine »direkte Folge der Richtlinie 2004/38/EC über die Freizügigkeit« sei es, dass es »keinen Schutz für uns vor den sozial unerwünschten und kriminellen Elementen« der »nicht eingeladenen Roma« gebe. Die EU sei eben ein »Völkerkerker«, so sein Parteikollege Nigel Farage.
Bleibt noch die national-neoliberale Fraktion ECR, das sind unter anderem die britischen Conservatives, die tschechische ODS und die polnische PiS. In ihrer Gründungserklärung von 2009 heißt es, man wolle eine »[e]ffectively controlled immigration and an end to abuse of asylum procedures« durchsetzen. Wenn es nach ECR, EFD und fraktionslosen Rechten geht, würden nicht nur weiterhin die EU-Außengrenzen tausendfach tödlich abgeschottet, sondern auch innerhalb der EU die Grenzen wieder zugemacht werden. Wollen wir das?