Interessenausgleich in internationalen Beziehungen
Plenardebatte zur Zukunft der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union
Frau Ashton,
Sie werden sich in dieser Debatte nicht nur Lob, sondern auch Kritik anhören müssen.
Seien wir ehrlich: In einigen Bereichen ist die EU-Außenpolitik gescheitert: Gegenüber der arabischen Welt, in Afghanistan, bei der Lösung des Palästina-Problems und der Konflikte in unserer östlichen Nachbarschaft… Woran liegt das? Wie kommen wir bei 27facher nationaler Entscheidungsgewalt zu einer wirklich gemeinsamen Linie der EU in der GASP?
Außenpolitik ist Interessenpolitik. Selbstverständlich. Die Zeit jedoch ist längst vorbei, in der „der Westen“ seine Interessen einfach ohne Rücksicht auf Partnerländer und deren Bevölkerungen, durchsetzen konnte. Die EU muss sich für eine Politik des Interessenausgleichs öffnen.
Nicht zuletzt doppelte Standards und Denken in militärischen Kategorien haben zum Scheitern beigetragen. Dieses Haus hat fast gejubelt, als der UN-Sicherheitsrat beschloss, militärisch in Libyen einzugreifen. Heute sind wir alle ratlos angesichts der dortigen Entwicklung.
Was tun wir für die Zivilbevölkerung in Gaza, in Darfur? Wie schützen wir das Recht auf ein würdiges Leben jener 1,4 Milliarden Menschen, die mit 1 Dollar pro Tag auskommen müssen? Das ist eine Frage, die meine Fraktion besonders stark beschäftigt.
Die Revolutionen in den arabischen Ländern haben eine wichtige Forderung gemeinsam: Die nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit bei der Verteilung von Reichtum innerhalb der Gesellschaften, bei der demokratischen Beteiligung an politischen Entscheidungen – auch in internationalen Beziehungen. Dieser Forderung muss sich die EU stellen.
Die Einlösung dieser Aufgabe erfordert zugleich die gemeinsame Weiterentwicklung des Völkerrechts; nicht seine einseitige Auslegung und Durchsetzung!
(Es gilt das gesprochene Wort.)