Zur Situation und Perspektive von Genossenschaften und kooperativen Zusammenschlüssen in der Landwirtschaft der EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer im Lichte der Brüsseler GAP-Reformvorhaben

Christel Fiebiger

Agrarpolitisches Vortrags- und Diskussionsforum der Fraktion GUE/NGL des Europäischen Parlaments
am 5.10.2002 in Magdeburg

Heute sollen die Agrargenossenschaften im Mittelpunkt unseres Agrarforums stehen. Bitte interpretieren Sie das nicht falsch. Dieses Vorhaben ist keine Absage der Linken im Europäischen Parlament bzw. der PDS, die ich dort vertrete, an unser Bekenntnis zur Vielfalt der Betriebsformen.

Vielmehr setzen wir uns seit 1990 gerade für diese Vielfalt ein. Nirgendwo in der EU ist sie doch so ausgeprägt wie in Ostdeutschland. Wir setzen die Vielfalt bewusst dem in der Bundesrepublik noch bis vor kurzem offiziell geltenden Leitbild vom Familienbetrieb entgegen.
Und das nicht aus taktischen Gründen, sondern auf Grund unserer historischen Erfahrung, dass jedes Leitbild, ganz gleich ob das vom Familienbetrieb in der BRD oder von der LPG in der DDR, immer zugleich mit der politischen, rechtlichen und ökonomischen Diskriminierung von anderen, nicht dem jeweiligen Leitbild entsprechenden Alternativen verbunden war und ist.

Dass es uns heute um Genossenschaften und kooperative Zusammenschlüsse in der EU geht, hat gute Gründe.

1. wurden vor 50 Jahren, im Jahr 1952, die ersten LPG gegründet. Die damit eingeleitete Entwicklung hat die hiesige Landwirtschaft, hat Bauern und Landarbeiter, hat die Dörfer, ja das persönliche Leben vieler der hier Anwesenden entscheidend geprägt.

2. sind es die so genannten „Rechtsnachfolger der LPG“, darunter nicht wenige Genossenschaften, die das Besondere der ostdeutschen Agrarstruktur von heute ausmachen.

3. wird die Agrargenossenschaft von der Mehrheit der westlich sozialisierten Politiker und Agrarökonomen noch immer als eine vorübergehende Erscheinung angesehen.
So besagen die gängigen Prognosen zur Agrarstrukturentwicklung in Deutschland, dass die Agrargenossenschaften bis 2015 (spätestens jedoch bis 2020) von der Bildfläche verschwunden sein werden.

Scheinbare Bestätigung finden solche Prognosen durch die Tatsache, dass die Anzahl der Genossenschaften und ihr Flächenanteil zwar langsam, aber doch stetig zurück geht, während die Kapitalgesellschaften, insbesondere die GmbH, zunehmen. Tatsache ist auch, dass in den alten Bundesländern keine einzige Agrargenossenschaft neu gegründet wurde.

Das wirft die Frage auf: Ist die Agrargenossenschaft ein Relikt vergangener Zeit oder ein reales Zukunftsprojekt? – Hierzu werden wir heute noch einiges hören und sicher auch diskutieren.

4. sollten wir über die „Agrargenossenschaft“ nicht nur aus der Sicht west- oder ostdeutscher Befindlichkeiten debattieren.
Zwar wird die Agrarstruktur der EU eindeutig vom bäuerlichen Familienbetrieb geprägt. Trotzdem haben Genossenschaften und andere kooperative Formen in anderen EU-Ländern einen mehr oder weniger festen Platz in der jeweiligen nationalen Agrarstruktur.

Zum Beispiel gibt es allein im spanischen Katalonien 464 landwirtschaftliche Genossenschaften mit rund 134.000 Mitgliedern.

In Frankreich weist die GAEC als spezielle Gesellschaftsform eines kollektiven Betriebes, die bei uns unter den Begriff der Gruppenlandwirtschaft bekannt ist und in etwa der GbR entspricht, mit etwa 40.000 Betrieben einen inzwischen durchaus beachtlichen Anteil an der Bewirtschaftung der Flächen und am Umsatz des Agrarsektors aus.

Eine lange Tradition haben Kooperativen in Italien. Prof. Haensch wird dazu sprechen. Ich freue mich schon darauf.

5. kommen mit der EU-Osterweiterung Staaten mit zum Teil Ostdeutschland-ähnlichen Agrarstrukturen in die Gemeinschaft und damit auch eine Vielzahl von Genossenschaften. In der ersten Beitrittsrunde betrifft das namentlich die Slowakei, Tschechien und Ungarn.

Ich verbinde damit die Hoffnung, dass die künftige EU-Agrarpolitik die Agrargenossenschaften nicht länger als Abweichung von der Normalität, sondern als zur europäischen Normalität zugehörig ansieht. Es geht um ihre tatsächliche Chancengleichheit.

6. gibt es gerade in jüngster Zeit Äußerungen und Handlungen, die alles andere als hoffnungsvoll sind. Dafür 3 Beispiele:

– EU-Agrarkommissar Fischler offenbarte der „Süddeutschen Zeitung“, dass er die „aus der kommunistischen Ära stammenden Strukturen“ ausmerzen will und es für „sinnvoller“ hält, „dass ein 5.000 Hektar großer Betrieb aufgeteilt wird und wir mehreren Bauernfamilien eine Chance geben“;

– Der erste Kommentar von Renate Künast zur Kappung der Direktzahlungen, die bekanntlich nur Großbetriebe und besonders Genossenschaften treffen würde, lautete: Damit würde die Landwirtschaft „europäischer“.
Das ist ein Rückfall hinter ihre Amtsvorgänger Borchert (CDU) und Funke (SPD).

– Unübersehbar ist auch, dass alle agrarpolitischen Grundsatzdokumente, die derzeit dem Europäischen Parlament vorliegen, nur den Fortbestand und die Förderung der Familienbetriebe in den Mittelpunkt rücken. Andere Betriebsformen werden überhaupt nicht mehr erwähnt.

Landwirtschaftliche Kleinbetriebe werden sogar (ich zitiere aus einer Stellungnahme der Ausschüsse für Landwirtschaft und Regionalpolitik) „als wichtigste Garanten der Multifunktionalität und Nachhaltigkeit im ländlichen Raum“, für die Sonderzuschläge gefordert werden, bezeichnet.
Damit wird die jahrzehntelangen Heiligsprechung des Familienbetriebes mit neuen Argumenten fortgesetzt.

Von der politisch wie ökonomisch gebotenen Gleichberechtigung unterschiedlich verfasster Betriebe, sofern sie die gesellschaftlichen Anforderungen an eine multifunktionale Landwirtschaft erfüllen, ist keine Rede mehr.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe nichts dagegen, dass Kleinbauern unterstützt werden. Gerade in Kohäsionsgebieten ist keine Landbewirtschaftung ohne öffentliche Stützung möglich. Dieser Teil des Haushaltes sollte auch nicht in Frage gestellt werden.
(Beispiel: Tabak in Kavala (Basman-Sorte )

7. schließlich widmen wir uns heute vorrangig den Agrargenossenschaften, weil unsere linke Fraktion genau wie die PDS sie stets in besonderem Maße politisch unterstützt haben.

Für uns sind Genossenschaften die Betriebsform, die in dieser realkapitalistischen Gesellschaft am weitgehendsten demokratische Mitbestimmung und soziale Anliegen erfüllt, in der auf moderne Art und Weise die gute bäuerliche Tradition der Identität von Eigentümern und Produzenten gesichert wird.

Da es heute noch ganz spezifische Beiträge zur Problematik der Genossenschaften geben wird, möchte ich hier zu einigen grundsätzlichen Fragen der aktuellen und künftigen Agrarpolitik meinen Standpunkt sagen, zumal von den jeweiligen Antworten auch die Entwicklung der Genossenschaften maßgeblich bestimmt werden wird.

Wichtig hierbei ist, zu verstehen, dass die Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik untrennbar verbunden ist

– mit der Erweiterung und damit Vergrößerung der Union,

– mit der Diskussion um neue Spielregeln zur Finanzierung der Gemeinschaftspolitiken, darunter auch der Strukturpolitik,

– mit der Diskussion um die organisatorische Beherrschung einer „Groß“-EU, zu der auch eine Reform der Entscheidungsbefugnisse der EU-Organe bis hin zur Frage von Einstimmigkeits- oder Mehrheitsbeschlüssen und auch die künftige Rolle des Europaparlaments gehört. Ich nenne hier nur das Stichwort Konvent,

– und nicht zuletzt mit der neuen Verhandlungsrunde der WTO, die auf Fortsetzung der Liberalisierung der Weltmärkte für Agrarprodukte gerichtet ist.

Da ich gerade beim Stichwort WTO war, möchte ich auf folgende Entwicklung aufmerksam machen:

Während sich die EU-Mitgliedsstaaten über entkoppelte Beihilfen und die Einführung einer verpflichtenden Modulation streiten, um die Beihilfen mit Blick auf die künftigen WTO-Beschlüsse WTO-kompatibel zu machen, besagen die allerneuesten Nachrichten von den laufenden informellen Beratungen der WTO über die interne Agrarstützung, dass die USA, die Länder der Cairns-Gruppe und eine Reihe von Entwicklungsländern fordern,
– die „Blue-Box“ abzuschaffen und die betroffenen Förderinstrumente den Regeln der „Amber-Box“ zu unterwerfen sowie
– die „Green-Box“-Maßnahmen unter die Lupe zu nehmen und jede Ausweitung, insbesondere unter der Flagge „Agrarumweltmaßnahmen“, Tierschutz und andere so genannte „Nicht-Handelsanliegen“, an strenge Bedingungen zu knüpfen.

Falls sich diese Positionen durchsetzen, drohten den EU-Direktzahlungen starke Kürzungen. Die EU müsste nach alternativen Möglichkeiten zur Unterstützung der Landwirtschaft Ausschau halten.
Dabei wollte Fischler doch mit den jüngsten Vorschlägen zur Halbzeitbewertung bei der WTO in die Offensive kommen. Jetzt sieht es mir eher nach Defensive aus.

Überhaupt wird die Zeit langsam knapp.
Bis zur Erweiterung sind es nur noch wenige Monate, und nachdem auch in Deutschland die Wahlen zum Bundestag der Vergangenheit angehören, werden die Gespräche über die GAP nunmehr mit vollen Segeln aufgenommen. Ihre Weiterentwicklung soll spätestens im nächsten Frühjahr beschlossen werden.

Die Landwirtschaft ist eine lebenswichtige Komponente der europäischen Gesellschaft. In den jüngsten Monaten haben sich die Mitgliedsländer dafür ausgesprochen, den in Verbindung mit der Landwirtschaft stehenden Fragen wie
– Lebensmittelsicherheit,
– Umwelt,
– Landschaft,
– ländliche Entwicklung
– sowie Nachhaltigkeit und ökologische Anliegen
im breiteren Sinne noch mehr Beachtung zu schenken.

Am heutigen Tag wird die Kommission in Brüssel den letzten Bericht über den Stand der Breitrittskandidaten verabschieden, und am 5. Dezember werden die notwendigen Rechtsakte unterschrieben.

Geht, man von diesen Tatsachsen aus, dann sind Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung
oder Korrektur der Agenda 2000 in vier Richtungen zu erwarten.

Erstens werden Entscheidungen für die Entwicklung der Roggen- und Rindfleischmärkte getroffen werden, um Überschüsse abzubauen bzw. keine neuen entstehen zu lassen.
Experten schätzen ein, dass im Jahre 2008 bei einer Weiterführung der geltenden Regelung 13,8 Mio. Tonnen Roggen (hier sind bereits die Beitrittsländer mit Polen als größten Roggenproduzenten eingerechnet) und 240.000 Tonnen Rindfleisch in den Silos und Kühlhäusern liegen würden, falls nicht gegengesteuert wird.

Auch schreitet die Globalisierung des Milchsektors in bemerkenswertem Tempo voran. Dieses Faktum kann nicht ignoriert werden. Deshalb muss die EU-Agrarpolitik in diesem Bereich so angepasst werden, dass die Milchwirtschaft den neuen Herausforderungen gewachsen ist.

Nach Einschätzung des Agrarkommissars macht es Sinn, angesichts der Ineffizienz der Quotenregelung bereits heute über eine Reform konkret nachzudenken. Als Alternative stehen Fischler zufolge vier Szenarien zur Auswahl:
– Die Fortsetzung des Status quo,
– eine Neuauflage der Agenda-2000-Beschlüsse mit einer weiteren Aufstockung der Quoten und einer Senkung der Interventionspreise für Butter und Magermilchpulver um 15 %,
– die Einführung einer zweistufigen Quotenregelung mit einer A-Quote in Höhe der Binnennachfrage und einer unbegrenzten C-Quote für den nichtsubventionierten Export
– sowie die Abschaffung der Quoten nach 2008 bei einem vermutlichen Rückgang der Preise um 25 %.

Sämtliche Optionen beinhalten Licht- und Schattenseiten.

Ob die Milchquotenregelung bis zum Jahre 2008 Bestand haben wird, das hängt meiner Meinung nach davon ab, wie sich das Anliegen nach weitere Liberalisierung, nach einer „preiswerteren“ Landwirtschaft weiter fest setzt.
Wird die Frage nach den Kosten für die Fischler-Reform aus der Perspektive einer starken Ökonomie, oder aus der Perspektive der Gegenüberstellung von Natur-„schützern“ und der Natur-“nutzern“ entschieden.

Ich kann heute nur soviel dazu sagen, vom grünen Tisch kann diese Frage nicht beantwortet werden. Nachdem ich die Gelegenheit hatte, am Nebengipfel in Rio teilzunehmen, ist mit klar geworden, das Naturschutz auch eine starke Ökonomie voraussetzt, ein starkes Ordnungsrecht und dort, wo Nutzer- und Eigentümerinteresse kollidieren, ist es immer am Besten, über einen Vertrag einen Ausgleich durchzusetzen.

Ein „heikles Kapitel“ ist der Milchbereich im Übrigen auch in den Beitrittsländern. Die für die Quotenfestsetzung von der Kommission vorgeschlagene Referenzperiode von 1997 bis 1999 wird von den künftigen Mitgliedern abgelehnt.
Zum Beispiel würde Polen dadurch zum Nettoimporteur werden. Das kann nicht sein. Schließlich besteht der Sinn der Milchquoten nicht darin, für westeuropäische Molkereiunternehmen einen neuen Absatzmarkt zu Lasten der Polen zu eröffnen, sondern darin, Überproduktion zu vermeiden und so einigermaßen vernünftige Marktpreise zu realisieren – und zwar für die hiesigen Bauern genauso wie für die polnischen!

Ich hatte deshalb einen Änderungsantrag in das Europäische Parlament eingebracht, wonach bei der Quotenfestlegung der Beitrittsländer davon auszugehen ist, dass deren Eigenversorgungsgrad nicht sinkt und sie infolgedessen nicht bisher Selbstproduziertes importieren müssen. Das liegt auch im Interesse der Sicherung von Einkommen und Beschäftigung der dortigen Landwirte.

Dieser Antrag wurde angenommen. Trotzdem gibt es keinen Grund zum Jubeln. Denn bislang hat die Kommission ihre Haltung in der Quotenfrage nicht geändert.
Hier wird auch ein grundsätzliches Demokratie- und Kompetenzproblem der EU sichtbar. Die meisten Beschlüsse des Parlaments haben – im Unterschied zu einem Bundestags- oder Landtagsbeschluss – noch immer nur Empfehlungscharakter.

Zweitens wird die EU bei der Halbzeitbewertung die Erwartungen der Gesellschaft an eine neue Lebensmittelpolitik berücksichtigen müssen.

Fischler umschrieb das am 10.7.02 mit folgenden Worten:
“Die Konsumenten wollen eine Agrarpolitik sehen, die Anreize bietet, das zu produzieren, was sie wollen, und nicht das wo es die höchsten Subventionen gibt“.

Sowohl die Eurobarometer-Umfrage vom Frühjahr 2001 als auch die Blitzumfrage vom Frühjahr 2002 machen deutlich, dass das Vertrauen der europäischen Bürger in die GAP durch BSE und Maul- und Klauenseuche schwer gelitten hat.
Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirte und der Agrarpolitik wurde stark geschädigt. Auch, wenn die Ursachen der Vorkommnisse vor allem in der Kette der vor- und nachgelagerten Wirtschaft liegen, werden die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit sowie an
Umwelt- und Tierschutz nicht verhandelbar sein.

Drittens wird die zweite Säule, die ländliche Entwicklung, weiter gestärkt.

Das Geld dazu kann nur zum Teil aus der Beihilfe genommen werden. Es geht meines Erachtens nicht, dass die ländlichen Räume zu Lasten der Wirtschaftlichkeit der Agrarproduzenten gestärkt werden. Eine solche „Stärkung“ würde sie letztlich nur schwächen.

Ich werde oftmals dafür abgestraft, dass auch ich Beihilfe, statt Senkung der Stützungsmaßnahmen sage, die ja auf Rechtsakten – Stichwort Preisausgleich – beruhen.

Meine Erklärung ist einfach: Wir sollten uns in den Gesprächsrunden einer Sprache bedienen, die jedermann versteht und uns nicht darum drücken, auch klar auszusprechen, dass in der EU eine GAP bevorzugt wird, die Mulifunktionalität und Verbraucherinteresse mit einander verknüpft. Das wird teuer, zumal die Bürokratie gerade dabei ist, sich neu zu formieren (Weißbuch für Lebensmittelssicherheit sind im Haushalt der EU 10 Mio. Euro vorgesehen).

Die Anhäufungen der finanziellen Mittel aus den Europäischen Strukturfond betragen heute schon 15 Milliarden Euro.

Kommissarin Schreyer sagte dazu im Plenum am 25.09.02.
„ Ein Überschuss von 15 Mrd. EURO liegt vor, der diesbezügliche Bericht kann seit dem 1. Mai eingesehen werden. Dies ist nicht wie bei Firmen ein fiktiver, sondern ein realer Überschuss.“
In BXL liegt also Geld, das dem Mitgliedsstaaten gehört, und nicht jährlich verwendet wird.
Spätestens an dieser Stelle müssen die Rechtsakte über diejenigen Projekte, die zu Hause verwaltet werden und welche in BXL zu verwenden sind, entflochten werden.
Eine Forderung über die seit Jahren nur geredet wird.

Die Zeit ist überreif für Reformen auch in der Strukturpolitik.

Die Abwicklung der Modulation verlangt regional veränderte Finanzierungsschlüssel besonders für die Agrarumweltmaßen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe; sie müssen bürokratisch vereinfacht und in den Haushalten flexibel verwaltet werden.

Was für eine Verschwendung, wenn damit zu rechnen ist, dass für jeden umgeschichtet Modulations-EURO 80 Cent dazu an Verwaltung notwendig sind.
Unter diesen Vorraussetzungen hat die Modulation in den Ländern Brandenburg, Sachsen oder Sachsen-Anhalt keine Chance.

Für die Landwirte, sind die erste und die Zweite Säule von Bedeutung, wenn sie einander ergänzen. Das nachhaltige Gleichgewicht zwischen ökologischer, sozialer und wirtschaftlichen Leistungen der Preis-Marktpolitik wie auch der ländlichen Entwicklung können die GAP weiter entwickeln.

Es besteht aber die große Gefahr, dass diese Bereiche sich verselbstständigen und damit weiter in noch größere Spaltung und Konkurrenz zerfallen.

Bisher waren die Landwirte und die wirtschaftschwachen Regionen bei den Verteilungskämpfen keine großen Sieger.

Das würde wiederum zum größten Entwicklungsnachteil in den peripheren ländlichen Regionen führen. Was die Gemeinschaftsaufgabe anbelangt, so muss festgehalten werden, dass die von Bund und Ländern bereit gestellten Mittel auf Grund der Schieflage in den Haushalten reduziert wurden.

Schließlich werden sich mit der EU-Osterweiterung die Fördergebiete noch einmal verändern.

Viertens beginnen in der Regel die Fortschrittsberichte der Kommission damit, dass man für die EU-Erweiterung eine maßgeschneiderte Strategie für jedes einzelne neue Land hätte.
Auf Polen bezogen, heißt das kurz gesagt, ein 5-Hektar Betrieb würde seine Einnahmen verdoppeln und erhält 2/3 des „normalen „ EU-Levels. Allerdings würden diese Sondermaßnahmen im Gegensatz zu den Direktzahlungen die Umstrukturierung unterstützen. Die größeren Betriebe könnten von steigenden Preisen und bessern Marktchancen profitieren.

Die EU spricht von einer Erfolgsgeschichte.

Bei meinem letzten Besuch in Warschau, unter der Verantwortung des Agrarausschusses, wurde das von polnischer Seite etwas anders gesehen:

Kritisiert wurde, dass der Vorschlag der Kommission die Tatsache, dass in den Agrarsektoren der Beitrittsländer sehr unterschiedliche Bedingungen herrschen, nicht ausreichend berücksichtige. Das bezieht sich auf den Grad der Beschäftigung in der Landwirtschaft und auf den Stand der Privatisierung an Grund und Boden.

Die Lebensmittelindustrie ist dem Stand der EU-Normierung nur schlecht angepasst, und das Lohngefüge ist auf Spannungen am Arbeitsmarkt programmiert. Die Direktzahlungen auf dem Eingangsniveau von 25 % werde noch eher akzeptiert, als die zu erwartenden Quoten in der Produktion. Ich sprach bereits davon.

Übergangsergelungen wie bei der Süderweiterung werden häufig betont.
So wünscht Slowenien von einer Individualisierung der Milchquote und Prämienrechte bis Ende 2012 ausgenommen zu werden.

Die mittelfristig mobilisierbaren Produktivitätsreserven in den Beitrittsländern sind begrenzt. Das Bankengeflecht erstickt im Dickicht der Bestimmungen. Die Möglichkeiten für private Investitionsreserven sind überschaubar niedrig.
Die Agrarentwicklungsrezepte und die Strategien ändern sich mit jeder neuen Regierung.

Es besteht für mich kein Grund, die Beschlüsse der Agenda 2000 vor Ende der Laufzeit 2006 bzw. 2008 zu ändern. Auch im Fall der Erweiterung 2004.

Dafür spricht vor allem die innere Lage der Landwirtschaft in den 15 Ländern.

Bei einigen Erzeugnissen hat die EU so genannte WTO- Guthaben. Durch die sehr schnellen Kürzungen der Exportsubventionen wie bei Getreide um 5% oder bei Butter, wo das Exortvolumen nicht ausgeschöpft ist.

Die niedrigen Weltmarktpreise und der schwächere Dollarkurs lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch 2002 die Überschüsse an Futtergetreide größer werden als mit Exportsubventionen auf den Weltmarkt abgesetzt werden kann.

In den Jahren 2001 hat die europäische Landwirtschaft den Steuerzahler 1,3 Milliarden Euro weniger gekostet. Meinem Antrag, diese Mittel nicht den Finanzministern zu schenken, sondern als nicht rückzahlbare Zuschüsse an vom Hochwasser betroffene Landwirte auszureichen, wird wohl nicht entsprochen werden.

Die unterschiedlichen Ansprüche, die an die Landwirtschaft gestellt werden, müssen so schnell wie möglich vernetzt werden, dass nicht wieder innerhalb vergleichsweise kurzer Zeitabstände erneute Reformdiskussionen über die europäische Landwirtschaft herein brechen.
Permanente Reformdiskussionen sind schädlich, sie führen innerhalb des Berufstandes, aber auch in der Gesellschaft unweigerlich zu Irritationen, Missstimmungen und Ungewissheit.

Mitte August habe ich ein persönliches Positionspapier zur Halbzeitbewertung veröffentlicht. Ich hatte es auch an Bauernverbandspräsident Sonnleitner geschickt.

In seiner Antwort schrieb er unter anderem:
„Sehr geehrte Frau Fiebiger, nach Durchsicht Ihres Papiers vermag ich ganze Reihe gleichgerichteter Positionen zu erkennen. Die Vorschläge der Europäischen Kommission lassen zahlreiche Fragen offen, wie dies auch in Ihrem Schreiben sehr deutlich geworden ist. Ich würde mich daher freuen, wenn der DBV gerade auch bei der anstehenden Beratung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments mit ihnen im guten Kontakt bleiben könnte.“

Da mein Zeitfonds nicht ausreicht, auf den Inhalt meines Papiers und des Briefwechsels mit Sonnleitner einzugehen, habe ich auch diese Materialien abgelichtet und ausgelegt.

Interessierte finden im Positionspapier detaillierte Aussagen und teils auch Alternativen zu den Kommissionsvorschlägen zur
– Entkopplung der Direktzahlungen,
– Bindung der Direktzahlungen an Umweltleistungen,
– dynamischen Modulation und Stärkung der ländlichen Entwicklung,
– einzelbetrieblichen Obergrenze
– und Abschaffung der Roggenintervention.

Ich stelle das mit zur Diskussion, nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Wochen.