Plenardebatte zur Regierungskonferenz

Sylvia-Yvonne Kaufmann am 27.10.99 in Straßburg

Was der Rat in Köln als Tagesordnung für die Regierungskonferenz beschlossen hat, ist nicht akzeptabel. Kommissionspräsident Prodi hatte völlig recht, als er vor diesem Hause von einem Fehler historischen Ausmaßes sprach, falls die Regierungskonferenz tatsächlich auf die sogenannten „left-overs“ von Amsterdam reduziert bliebe.

Nein, was die Bürgerinnen und Bürger zu recht erwarten, sind wahrhafte Demokratie, Transparenz sowie Effizienz von Entscheidungen. Nötig ist vor allem Mut zur kritischen Überprüfung der bisherigen Politiken der Union. Ein sozial gerechtes Europa ist unverändert hochaktuell. Das erfordert die Zuwendung zu den tagtäglichen Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger und die Reform der Union dahingehend, daß der Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und Armut endlich im Mittelpunkt der Politik steht. Dazu gehört dann auch die Courage, Artikel 4 des EG-Vertrages zu ändern, der die Union in klassisch neoliberaler Manier als „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ definiert. Gleiches gilt für Artikel 105 des EG-Vertrages, damit die Europäische Zentralbank den vertraglich fixierten politischen Auftrag erhält, mit ihrer Geldpolitik Wachstum und Beschäftigung zu fördern.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen in die Debatte über Ziele und Inhalte der Reform einbezogen werden. Sie müssen vor allem die Möglichkeit haben, durch Volksentscheide selbstbestimmt ihr Urteil über die Ergebnisse der Regierungskonferenz abgeben zu können.

Ich habe die Vorschläge der Herren Dehaene, Weizsäcker und Simon mit Interesse zur Kenntnis genommen. Einige halte ich persönlich für durchaus überlegenswert, zum Beispiel

die Vereinfachung der Verträge durch ihre Vereinigung und die Zweiteilung des Textes oder aber
den Grundsatz, daß qualifizierte Mehrheitsentscheidungen und Mitentscheidung künftig die Regel sein sollten.

Als Abgeordnete eines großen Mitgliedstaates lege ich allerdings größten Wert darauf, daß die Rechte kleiner Staaten nicht eingeschränkt werden dürfen.

Eines allerdings will ich in aller Deutlichkeit sagen: Die Integration der WEU in die Union lehnt meine Fraktion mit aller Entschiedenheit ab. Wir wollen ein solidarisches und ziviles Europa. Wir wollen keine Militärunion, die, bis an die Zähne bewaffnet, künftig als Euro-Gendarm in der internationalen Politik auftritt.