Diskussionsbeitrag zum Jahresbericht 1998 der EZB

Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann am 26.10.1999 in Strassburg

Ich möchte kritisch drei Fragen zum vorliegenden Jahresbericht der EZB ansprechen: Rechenschaftspflicht, Transparenz und Beschäftigung.

Erstens Inhalt und Abfassung des Berichts lassen nicht hinreichend erkennen, dass die EZB gewillt ist, sich der demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament zu stellen. Zum Ausdruck kommt dies bereits darin, dass der monetäre Dialog zwischen Parlament und EZB lediglich als ,,Zusammenarbeit mit anderen Institutionen“ abgewertet wird. M.E. widerspricht dies eindeutig Artikel 13 EU-Vertrag, der die EZB ausdrücklich verpflichtet, dem Parlament einen Jahresbericht über ihre Tätigkeit und über die Geld- und Währungspolitik im vergangenen und im laufenden Jahr zur Aussprache vorzulegen. Hier rächt sich eben, dass diese Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber dem Parlament in besagtem Artikel zu vage beschrieben ist. Die im Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung enthaltene Forderung, dass die EZB unverzüglich Massnahmen ergreift, um zumindest den durch den EU-Vertrag geschaffenen besonderen Beziehungen zum Europäischen Parlament künftig voll Rechnung zu tragen, unterstütze ich daher nachdrücklich.

Daran schliesst sich meine zweite Bemerkung im Hinblick auf mangelnde Transparenz bei der Beschlussfassung über die Geldpolitik der EZB an. Nicht hinnehmbar ist, dass die EZB als mittlerweile einzige grosse Zentralbank keine Auskunft über Hintergründe und Argumente ihrer geldpolitischen Entscheidungen zu geben braucht. In der Tat ist aber dieses Parlament der Ort, wo die EZB ihre geldpolitischen Beschlusse darstellen, begründen und sich gegebenenfalls kritisieren lassen muss. Geschieht dies nicht, kann das Parlament seinem Auftrag nicht nachkommen, die Tätigkeit der EZB zu kontrollieren. Geldpolitik ist bekanntermassen eine hochpolitische Angelegenheit. Eben deshalb muss von der EZB ein Höchstmass an Transparenz hinsichtlich ihrer Entscheidungsfindung eingefordert werden.

Drittens – und das ist für mich eine zentrale politische Frage – bin ich der Auffassung, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik zu wirtschaftlichem Wachstum und Beschäftigung ihren Beitrag leisten muss. Es kann nicht sein, dass Vollbeschäftigung als politisches Ziel de facto aufgegeben und der Stabilität des Geldwertes alles, aber auch alles, untergeordnet wird. Dies halte ich nach wie vor für den entscheidenden Grundkonstruktionsfehler der EZB und ihres in Artikel 105 EG-Vertrag formulierten politischen Auftrags, ,,im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ tätig zu sein. Deshalb unterstütze ich die in Ziffer 12 des Berichts formulierte Forderung, dass die EZB künftig verdeutlichen muss, ,,wie Geldpolitik über das Ziel der Preisstabilität hinaus zu einem ausgewogenen und angemessenen Policy Mix beitragen will, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern“.