Martinas Woche 1/2_2022: Trauer um Parlamentspräsident Sassoli und erstes Plenum im Neuen Jahr
Trauer um David Sassoli – Plenum im Januar (Wahl und Themen) – Förderpolitik
Eigentlich reiste Martina, genau wie ihre Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, zu den ersten Ausschuss- und Fraktionssitzungen im Neuen Jahr nach Brüssel. Doch der Tod des Parlamentspräsidenten David Sassoli überschattete die freudigen Motivationen für einen guten Jahresauftakt. Die Vorbereitungen des ersten Plenums im Jahr waren jedoch deutlich im Parlament zu spüren. Immerhin steht die sogenannte Midterm-Revue der versammlungsleitenden Organe des Europaparlaments an und im Plenum wird am Mittwochvormittag Emmanuel Macron erwartet, weil Frankreich seit dem 1. Januar 2022 die Ratspräsidentschaft übernommen hat.
Europa trauert um Sassoli
In der Nacht zum Dienstag starb der Parlamentspräsident David Sassoli. Die traurige Nachricht erreichte die meisten Angeordneten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Europaparlaments und der anderen Europäischen Institutionen am Dienstagmorgen. Spontan versammelten sich kurz nach 13 Uhr viele vorm Europaparlamentsgebäude in Brüssel zu einer Schweigeminute. Es kamen so viele, dass dies doch ein erstes ergreifendes Gedenken für David Sassoli wurde, der bis Anfang Januar das Europaparlament als sein gewählter Präsident durch schwierige Zeiten führte und dabei das Haus würdevoll und kämpferisch vertrat. „Er war ein leidenschaftlicher Demokrat über Parteigrenzen hinweg und pflegte während seiner gesamten Arbeit gute und freundschaftliche Beziehungen zur Linken im Europäischen Parlament.“, schrieb unser Fraktionsvorsitzender Martin Schirdewan in einer ersten öffentlichen Kondolenz. Er reiste dann nach Rom, wo am Freitag viele Menschen gemeinsam mit den trauernden Angehörigen von David Sassoli Abschied nahmen.
Plenum im Januar I – Wahl des neuen Präsidiums
Auch unabhängig von der erschütternden Nachricht von Sassolis Tod war für die Januartagung in Straßburg die Neuwahl des Präsidiums des Europaparlaments geplant, eine Wahl, die obligatorisch nach der Halbzeit einer Legislatur ansteht. Deshalb kam am Mittwoch die bisherige Stellvertreterin und die derzeit aussichtsreichste Kandidierende für das Amt der Parlamentspräsidentin, aufgestellt von der EVP, Roberta Metsola, in unsere Fraktionssitzung, um ihre Kandidatur im Dialog vorzustellen. Einleitend würdigte auch sie das Wirken von Sassoli und versuchte dann, ihre Vorhaben bei der Leitung des Europaparlaments zu beschreiben. Auf jeden Fall war es ihr wichtig, die Zusammenarbeit mit der Linken klar anzuzeigen. An dieser Stelle kann man sicher auch Vertrauen entwickelt, dass sie jenseits der Herkunft von den Konservativen einen demokratischen Leitungsstil des Hauses hochhält. Andererseits war sie bemüht, schon vor der Fragerunde auf eines ihrer heikelsten politischen Haltungen zu verweisen, die sie weit entfernt von der Herangehensweise linker Politiker*innen vertritt. Es ging dabei um ihre Haltung zu Reproduktionsrechten von Frauen. Roberta Metsola ist Abtreibungsgegenerin und diese repressive Haltung gegenüber der Selbstbestimmung von Frauen wird zusätzlich von ihrer maltesischen Partei mit äußerster Strenge hochgehalten und bestimmt auch die Gesetzgebung in Malta, die noch strenger als derzeit in Polen ist. Innerhalb ihrer Vorstellung in unserer Fraktion gab sie dann überraschend an, sich in der Funktion als Parlamentspräsidentin nicht an diesen politischen Linien ihrer Partei halten zu müssen. Sie hat sich durchaus für LGBTI-Rechte in der Vergangenheit eingesetzt, fährt also schon länger keinen komplett erzkonservativen Kurs bei Grund- und Freiheitsrechten. Doch ihr nun sofort einen Wandel in einer feministischen Grundhaltung zuzuschreiben; das dürfte wohl mindestens naiv sein.
Auch wenn wir davon ausgehen, dass Roberta Metsola voraussichtlich mit den Stimmen mehrerer Fraktionen gewählt wird, setzt unsere Fraktion mit einer eigenen Kandidatin ein Achtungszeichen und unterbreitet mit der Spanierin Sira Rigo ein gutes Angebot für die Wahl im Januar. „Feminismus, Umweltschutz, öffentliche Dienste, Wohlfahrtsstaat, gute Arbeit und natürlich Frieden und internationale Solidarität“ sind programmatische Punkte der Kandidatur. „Zu diesem Zweck und in diese Richtung wollen wir die europäischen Institutionen und die Politik in Europa verändern und für mehr Demokratie, Transparenz und Beteiligung aller sorgen. Dimitrios Papadimoulis aus Griechenland stellt sich als linker Vize-Präsident des EP für die Weiterführung seiner fraktionsübergreifend geschätzten Arbeit zur Wiederwahl.“, erläuterte Martin Schirdewan in unserem Plenarfokus für die kommenden Woche.
Plenum im Januar II – Start der Französischen Ratspräsidentschaft
In Frankreich ist nicht nur der Wahlkampf in vollem Gange. Zeitgleich – und dies ist schon eine ungewöhnliche Verkoppelung politischer Verantwortungen – begann seit dem 1. Januar 2022 die Französische Ratspräsidentschaft. Die Herausforderungen werden nach wie vor nicht nur von der Pandemie bestimmt. Der ökologische Wandel, die Energiepolitik in Europa bergen mehrfaches Konfliktpotential und verlangen viel mehr europäische Einigungen. Ob da ein eventuell scheidender Präsident mit einem Faible für Atomkraft, Terrorismusabwehr und Sozialkürzungen der beste Moderator ist, kann durchaus angezweifelt werden. Insofern erwarten auch wir mit Spannung das Auftreten Macrons am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg.
Weitere Themen der Plenartagung sind mit der Lage in Kasachstan, den Regulationen für große Plattformen (Digital Service Act – DSA) und dem Fortgang zur Konferenz zur Zukunft Europas umrissen. Überdies laufen gerade unsere Postfächer voll, weil das Parlament einmal mehr über die Ausgestaltung von Tiertransporten abstimmen wird. „Das Parlament hatte einen Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Schutz von Tieren beim Transport eingesetzt, um die aktuelle Situation in ganz Europa zu bewerten, nachdem in einer Entschließung strengere Regeln gefordert worden waren. Der Ausschuss nahm seinen Abschlussbericht im Dezember 2021 an„, so die Kurzzusammenfassung auf den Seiten des Parlaments.
Unsere Fördermittel-Webseite hat sich schön gemacht
Die EU stellt vielfältige Förderungen zu Verfügung, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern, Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten anzugleichen und strategische Politikfelder, wie Ökologie oder Migration, auch Bildung oder Forschung zu unterstützen. Doch die Beantragung dieser Mittel, das Auffinden der passenden Programme und der richtigen Ansprechpartner ist für Vereine, Verbände oder Institutionen oft ein Dschungel mit vielen Unbekannten.
Deshalb betreibt unsere Delegation der LINKEN im Europaparlament seit Jahren eine Informationsplattform, die einen Ersteinstieg in die Förderpolitik bietet und auch aktuelle Programme vorstellt. Jetzt wurde sie von Renate Eras und Peter Schmidt gründlich renoviert und wir können nur einladen, sich auf dieser Plattform wieder einmal umzusehen. Vielleicht gibt es auch für ihre Projektidee dort interessante Anregungen. Eine Fördermittel- oder -antragsberatung kann allerdings über diese Informationsplattform nicht gegeben werden.