Martin Schirdewan – unser neuer Europaabgeordneter

Seit dem 15. November 2017 ist Martin Schirdewan, der bis dahin das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung leitete, offiziell Europaabgeordneter. Er rückt für Fabio De Masi nach, der am 24. September in den Bundestag gewählt wurde.

Auch wenn die administrativen Mühlen in Brüssel nicht die schnellsten sind, hat sich Martin in diesen zwei Wochen häufig zu Wort gemeldet, beispielsweise kommentierte er am ersten Tag einen Bericht des Europäischen Rechnunsghofs, der die verheerende Troika-Politik in Griechenland verurteilte; in der zweiten Woche nahm er die Recherchen unserer Genoss*innen der belgischen Linkspartei zum Anlass, die Paradise Papers-Verwicklung des ehemaligen belgischen Ministerpräsidenten und aktuellen Vorsitzenden der liberalen Fraktion im EP, Guy Verhofstadt, gemeinsam mit Fabio De Masi zu kommentieren.

In der letzten Woche veröffentlichte die EP-Linksfraktion eine Studie zur EU-Unternehmensbesteuerung, die Martin als Mitglied des Währungsausschusses mitverantwortet und den Entwurf der EU-Kommission kritisch beleuchtet, wobei diverse Schlupflöcher zutage traten.

Anfang dieser Woche beschloss die Eurogruppe außerdem, wer die Nachfolge von Joren Dijsselbloem antreten solle. Die Entscheidung fiel auf den portugiesischen Finanzminister Mário Centeno. Ihm gab Martin mit auf den Weg, nicht dieselben Fehler wie seine Vorgänger zu wiederholen, d.h. der zerstörerischen Kürzungspolitik endlich ein Ende zu setzen.

Gestern, Dienstag, machten Martin und Genoss*innen der Linksfraktion, sowie progressive Kolleg*innen anderer Fraktionen vor der Kommission Lärm für mehr Whistleblowerschutz. Im Video ein paar Eindrücke von der Aktion.

Außerdem erschien Anfang dieser Woche in der Tageszeitung TAZ Martins erster Gastbeitrag als Europaabgeordneter, in dem er einen Ausblick darauf gibt, welches Europa er sich wünschen beziehungsweise wie sich dieses aus seiner Sicht am ehesten erreichen lassen würde:

Ein zukunftsfähiges Europa braucht eine geeinte Linke

Während das wirtschaftsliberale Europa noch krisenbenebelt vor sich hin torkelt und Deutschland sich auf einen Winterschlaf ohne Regierung einstellt, feiert die europäische Rechte fröhliche Urständ. Sie gewinnt fleißig Wahlen, jüngst in Österreich und Tschechien, indem sie Nation und Kultur beschwört, Migrantinnen und Asylsuchende zu Menschen zweiter Klasse degradiert, Frauenrechte schleift, die Umwelt der Industrie überlässt und überhaupt die Frage nach der Zukunft Europas mit einem Zurück in die Vergangenheit beantwortet.

Und die Linke, europäisch wie deutsch? Ringt mit sich um ihre Position zur Zukunft der EU, den Verträgen, auf denen diese rechtlich basiert, den Fehlkonstruktionen der Eurozone. Bis zum Streit. Das ist zwar gelegentlich feines Entertainment, aber für die Wählerinnen doch eher langweilig.

Mehrheitsfähigkeit und damit Gestaltungsmacht erwächst auch für die Linke aus überzeugenden Inhalten. Die Gesellschaft der Zukunft, das Hoffnungsversprechen an die kommenden Generationen gründet auf einer Idee für die Arbeits- und Lebenswelt der Zukunft, angesichts von Digitalisierung, neuen Technologien und der wachsenden Akzeptanz für neue Lebensweisen.

Die Linke kann – und sie hat die historische Pflicht – diese Idee erzählen. Populär, verständlich und klassenbewusst. Einerseits EU-institutionenkritisch, andererseits europäisch-internationalistisch. Gesellschaftliche Entwicklung basiert noch immer auf Widersprüchen.

Dem Nein zu demokratischer Ohnmacht, zur Allmacht der Märkte, zur sozialen Spaltung der Gesellschaft und unterschiedlicher Wertigkeit von gelebtem Leben und Existenzen folgt ein Ja. Ein Ja zur Ermöglichung auskömmlicher Arbeit für alle Europäerinnen und Europäer, dem Schutz öffentlichen Eigentums, würdevollen Wohnens, zukunftsfähiger Bildung, sicherer Altersvorsorge, der Energie der Zukunft, dem Leben in einer gesunden Umwelt, gelebter Diversität. National und transnational. Das kann nur eine geeinte Linke schaffen.“

Keine schlechte Ausbeute für zwei Wochen – wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit! 🙂