EP legt seine Position zum EU-Haushalt 2017 vor – Kritik nur halb konsequent
Offensichtliche Unfähigkeit die EU als wirklich gemeinsames Projekt voranzubringen, wird auch am Haushalt deutlich
Am Mittwoch (26/10/2016) legte das Europaparlament seine Positionierung zum Haushalt für das Jahr 2017 fest.
Die Abgeordneten fordern unter anderem neue Mittel für die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit im Rahmen der EU-Jugendbeschäftigungsinitiative, eine Erhöhung der vorgesehenen Unterstützung für das UN Flüchtlingshilfswerk UNRWA sowie die Schaffung eines Rettungs- und Vermisstensuchprogramms für Flüchtlinge. Das Europaparlament stellte auch klar, dass der EU-Haushalt angesichts der immer größeren Herausforderungen und Erwartungen an Europäische Politik bei weitem nicht ausreicht und fordert daher zumindest im Text dringend zusätzliches Geld für 2017 und die folgenden Jahre bis zum Ende der laufenden Programmperiode.Zugleich stimmte eine Mehrheit zusätzlichen Mittel im Bereich der Sicherheits- und Grenzpolitik und Kürzungen bei der Kohäsionspolitik und Integrationsprogrammen zu.
Die Kommission selbst hatte besonders bei den konkreten Auszahlungsermächtigungen für die Kohäsionspolitik massive Kürzungen einkalkuliert: Fast 24% weniger Geld soll es dafür geben. Sie selbst erklärt das damit, dass die meisten Programme der alten Förderperiode nun ausgelaufen sind und die neue nur sehr langsam in Gang kommt. Angesichts der Erfahrung des riesigen Zahlungsrückstands seitens der EU in den vergangenen Jahren, scheinen diese Kürzungen allerdings entweder waghalsig oder als verzweifelter Versuch, dort zu sparen, wo es vielleicht erst später auffällt. Besonderes Augenmerk liegt ja auch seitens des Parlaments aktuell auf der Flüchtlings- und Migrationspolitik und der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie im Bereich der Innen- und Sicherheitspolitik. Und so hat das Parlament die Kürzungen bei der Regionalpolitik für dieses Mal auch hingenommen und dem Rat lediglich angezeigt, dass es nicht noch weiter hinter den Vorschlag der EU-Kommission zurückfallen will.
Auf den ersten Blick scheint es das alljährliche Spiel zu sein: Die EU-Kommission macht einen Haushaltsvorschlag, der „sparsamer“ ist, als im vorangegangenen Jahr. Die Regierungen der Mitgliedstaaten einigen sich darauf, dass das immer noch viel zu viel ist und ziehen überall noch etwas mehr ab. Das Europaparlament andererseits fordert mindestens den ursprünglichen Ansatz plus ein wenig mehr für bestimmte Prioritäten. Dann beginnt die dreiwöchige Vermittlungsphase, in der Parlament und Ministerrat sich auf den Haushalt für das kommende Jahr einigen – meistens irgendwo zwischen Kommissions- und Ratsposition.
Doch bereits seit 2014 ist der EU-Haushalt dauerhaft unter die 1%-Marke des gemeinsamen EU-BIP gefallen, macht aber immer noch etwa 2% aller öffentlichen Investitionen aus – in einigen Mitgliedstaaten bis zu 80% der öffentlichen Investitionen.
Das Problem ist: Inzwischen leidet die Handlungsfähigkeit der EU nicht mehr nur unter ganz normalen politischen Differenzen, sondern die offensichtliche Unfähigkeit die EU als wirklich gemeinsames Projekt im Sinne der Menschen in der EU voranzubringen wird auch am Haushalt deutlich: Werden nach EU-Gipfeltreffen regelmäßig neue oder zumindest dringende „Prioritäten“ verkündet, leibt die dafür nötige Finanzierung ungeklärt. Zum Teil werden statt wirklich gemeinsamer Programme zwischenstaatliche Fonds geschaffen, in die Mitgliedstaaten einzahlen müssten – das aber oft nur sehr zögerlich tun. Ein zweiter Trend ist die Finanzialisierung des EU-Haushalts: Eine systematische Ersetzung der Zuschüsse für öffentliche Investitionen durch „innovative Finanzinstrumente“, also Kredite und Sicherheiten. Der Gemeinschaftshaushalt wird schleichend zu einem Garantiefonds, der am Ende der Dynamik der Finanzmärkte unterworfen ist, statt politischen Zielstellungen und öffentlicher demokratischer Kontrolle.