TTIP-Verhandlungen: e-commerce ja, aber kein Datenschutz?

von Cornelia Ernst und Lorenz Krämer

Personenbezogene Daten sind zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Einerseits werden im Internet, in sozialen Netzwerken und mit Hilfe von Computern und Smartphones immer mehr Daten produziert, andererseits werden Dank gesunkener Preise von Rechenleistung und Speicher immer mehr Daten gesammelt. Die Methoden, um aus den Daten Geld zu machen, werden laufend weiterentwickelt, oder sie werden direkt verkauft. In erster Linie gilt das für Computer- und Internetfirmen wie Google, Facebook oder Apple, aber auch für die Werbebranche und Versicherungs- und Finanzunternehmen.

Die größten Gewinne in dem Bereich gehen auf die Konten von amerikanischen Unternehmen. Denen sind die seit 1995 durch eine EU-Richtlinie grob vereinheitlichten Datenschutzregelungen in Europa ein Dorn im Auge. Dort ist festgelegt, dass persönliche Daten nur dann in das außereuropäische Ausland übertragen werden dürfen, wenn die EU-Kommission anerkennt, dass dort ein vergleichbares Datenschutzniveau gilt. Den USA hat sie diese Anerkennung bisher zu Recht verweigert. Mit Safe Harbor besteht ein spezielles Instrument, dass es Unternehmen erlaubt, Daten in die USA zu transferieren, wenn sie versprechen, die sogenannten Safe Harbor-Prinzipien einzuhalten.

In den vergangenen 20 Jahren ist das Thema Datenschutz daher immer wieder auf die Tagesordnung von transatlantischen Gesprächen gekommen.  Außer im Swift-Abkommen zum Transfer von Finanzdaten und dem Fluggastdatenabkommen, durchgesetzt mit dem Etikett Antiterror, ist es dabei nie zu einer Einigung gekommen. Beide Abkommen stechen vor allem durch ihre schwachen Datenschutzvorgaben hervor und die Abwesenheit von effektiven Kontrollmechanismen.

Angesichts dessen ist es schon etwas verwunderlich, wenn das Thema Datenschutz komplett ausgeklammert sein soll bei den Verhandlungen zum TTIP-Abkommen.  Es ist zwar einerseits klar, dass Datenschutz als Grundrecht in den Verhandlungen zu einem Handelsvertrag nicht zur Disposition stehen kann. Aber andererseits ist nicht zu verstehen, wie Datenschutz gewährleistet bleiben soll, wenn Themen wie e-commerce besprochen werden, ohne Fragen des Datenschutzes zu beachten. Immerhin handelt es sich um einen der großen Streitpunkte zwischen Europa und Amerika.

Entsprechend zahlreich sind die Konflikte, die um den Datenschutz vorhanden sind. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen geht es um vor allem um die Frage, an wen Daten alles weitergegeben werden dürfen. Nach amerikanischer Sichtweise, derzufolge personenbezogene Daten demjenigen gehören, der sie gesammelt hat, sind bei der Weitergabe an Dritte nur wenige Grenzen akzeptabel. Dem steht der europäische Ansatz entgegen, wonach wir als Datensubjekte unsere Rechte an den Daten behalten und diese daher nur unter Bedingungen überhaupt verarbeitet und weitergegeben werden dürfen. Im Zusammenhang mit dem NSA-Skandal in Folge der Enthüllungen Edward Snowdens haben sich diese Probleme noch einmal verstärkt, da nun klar ist, dass amerikanische Sicherheitsbehörden umfassenden und anlasslosen Zugriff auch auf kommerziell erhobene Daten haben. Zumindest solange dieser Skandal nicht restlos aufgeklärt ist und nicht zu Konsequenzen geführt hat, die eine Fortsetzung der Spionage endgültig unterbinden, fordert DIE LINKE im Europaparlament daher den Abbruch der TTIP Verhandlungen mit einem Partner, der sein Vertrauen verspielt hat.

Heute ist klar, dass die amerikanischen Unternehmen, die sich im Rahmen von Safe Harbor zertifiziert haben, die Vorgaben gar nicht erfüllen. Das sieht man mittlerweile selbst in Amerika so, wo die Handelsaufsicht FTC, die auch für Datenschutz zuständig ist, die Zertifizierungen unter Safe Harbor als nicht mehr aktuell ansieht. Aus Sicht der FTC, die sich da mit den Technologieriesen völlig einig ist, müssen neue Wege gefunden werden, wie die lästigen europäischen Datenschutzbestimmungen umgangen werden können.

Daher überrascht es kaum, wenn sich herausstellt, dass die amerikanische Seite in den TTIP-Verhandlungen einen geheimen Vorschlag zum Thema Datenströme auf den Tisch gelegt hat. Überraschend ist nur, dass weiterhin behauptet wird, es würde nicht über Datenschutz gesprochen. Um welche Art der Datenströme soll es denn demnach gehen? Wenn es um personenbezogene Daten geht, darf der europäische Datenschutz nicht unterlaufen werden. Andere, nicht-persönliche Daten dagegen sind überhaupt nicht reguliert. Als Kategorie spielen sie keine Rolle und es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum solche Daten Gegenstand eines Verhandlungsvorschlags sein sollten, noch dazu eines geheimen. 

Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der Vorschlag geheim bleiben soll. Vor wem? Da der Vorschlag auf dem Tisch liegt, ist er ja beiden Verhandlungsparteien bekannt. Nur der Öffentlichkeit ist er unbekannt, die damit gezielt außen vor gelassen werden soll. 

Obendrein fallen die Verhandlungen zu TTIP in eine Zeit, in der sich die EU gerade ein neues Datenschutzrecht gibt. Trotz massiver Lobbyanstrengungen aus den USA, von staatlicher wie von kommerzieller Seite, trägt die Position des Europaparlaments in erster Lesung jedoch nicht die Handschrift amerikanischer Lobbyisten. Nun besteht die Gefahr, dass im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung von Regulierungen der Datenschutz unterlaufen wird. Diese Chance, die geplante europäische Datenschutzverordnung auszuhebeln, noch lange bevor sie überhaupt in Kraft ist, will man sich in den USA nicht entgehen lassen. 

 

Dr. Cornelia Ernst ist Europaabgeordnete und Co-Sprecherin der Delegation DIE LINKE in der Fraktion GUE/NGL. Sie arbeitet in den Ausschüssen für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), für regionale Entwicklung (REGI) und für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM). Lorenz Krämer ist der für den LIBE-Ausschuss zuständige Mitarbeiter von Conny Ernst in ihrem Büro im Europaparlament in Brüssel. Sie erreichen Autorin und Autor über cornelia.ernst@ep.europa.eu„>cornelia.ernst@ep.europa.eu