MdE Händel: „Wir kämpfen für ein anderes Europa“
Linke-Abgeordneter ist Hauptreferent beim gemeinsamen Neujahrsempfang von DGB und ÖGB
Walter Geiring Simbach – Es ist bereits zur guten Tradition geworden, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niederbayern abwechselnd in Simbach und Braunau Neujahrsempfänge veranstalten. In diesem Jahr konnte der kommissarische Geschäftsführer der DGB-Region Landshut, Hans-Dieter Schenk, im Simbacher Bürgerhaus zahlreiche Politiker und Gewerkschaftler von jenseits und diesseits des Inn willkommen heißen.
In seinen Grußworten ging Schenk auf ein bewegtes Jahr aus Sicht der Gewerkschaften ein: „Die Landtags- und Bundestagswahlen sind nicht in unserem Sinne ausgegangen und haben der CSU in Bayern überraschenderweise wieder die absolute Mehrheit beschert.“ Kritisch sah er auch die Große Koalition, die nach seinen Worten in Bezug auf die Koalitionsvereinbarungen nicht der große Wurf sei. Außerdem würden die Vereinbarungen in der Rente und Krankenversicherung weit hinter den Erwartungen zurück bleiben.
Angesprochen wurden auch die beschlossenen DGB-Reformen. So werden am 1. Februar die DGB Regionen Donau-Wald und Landshut zu einer DGB Region Niederbayern verschmelzen. Die neue Region hat dann eine Fläche von 10 329 Quadratkilometer mit elf Gebietskörperschaften. Ziel sei es, durch starke Gewerkschaften mehr für die Arbeitnehmer zu erreichen.
„Kommunalwahlen
sind wichtig“ Im Mittelpunkt des Empfangs stand das Referat von MdE Thomas Händel von der Partei „Die Linke“ zu den Themen Wahlen, Arbeitsgerechtigkeit und Europa. Zunächst ging Händel auf die kommenden Kommunal- und Europawahlen ein: „Auch Kommunalwahlen sind wichtig, damit wir hier Leute in die Gremien hineinbringen, die dann aufpassen, dass mit dem öffentlichen Eigentum nicht privatkapitalistisch umgesprungen wird.“ Weiter wandte er sich gegen die Meinung, dass Europawahlen nicht so wichtig wären und man hier doch eh nichts machen könne. Vielen sei die Bedeutung des Europäischen Parlaments noch nicht so richtig bewusst. Laut Händel fallen bereits jetzt schon 80 Prozent aller Entscheidungen über Arbeits- und Lebensbedingungen auf der europäischen Ebene, was leider kaum einer wisse. Die Länderregierungen würden die beschlossenen Entscheidungen nur umsetzen.
Zu den großen Vorteilen eines vereinten Europas zähle die lange Friedenszeit. Zuvor seien die Generationen im 25-Jahres-Rhythmus waffenstarrend übereinander hergefallen. Heute hingegen würden Kriege zwischen europäischen Staaten laut Händel relativ ausgeschlossen erscheinen. Leider habe „das Kaputtsparen der Merkelschen Politik“ im Namen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in der EU direkt in eine schwere Legitimationskrise geführt. Zudem werde die Außenpolitik zunehmend dem weltweiten Kampf um Ressourcen und ökonomischen Interessen untergeordnet.
Gefahren in Sachen Europa sieht Händel, wenn die Menschen spüren, dass ihre Jobs unsicherer werden und die Einkommen sinken und sie sich dann nationalistischen Parteien zuwenden. Es sei eine Aufgabe, diese Ohnmacht und Abkehr von Europa zu bekämpfen. Laut Händel müsse Europa sozialer, friedlicher und demokratischer werden. Zu sehr sei Europa in den letzten Jahrzehnten Zug um Zug in den westlichen Kapitalismus durch Verträge eingepasst und verunstaltet worden. Darum gälte heute in der Europäischen Union der Profit als die oberste Maxime und die soziale Gesellschaft werde auf Sonntagsreden reduziert, bedauerte der Referent.
Problem Armut
und Arbeitslosigkeit Angesprochen wurde die große Armut und Arbeitslosigkeit in Europa, die rund 125 Millionen Menschen betreffe. Äußerst kritisch betrachtete der Abgeordnete das Freihandelsabkommen mit den USA, das nun immer klarere Konturen bekomme. Die öffentliche Daseinsvorsorge solle künftig privaten Wettbewerbskriterien geöffnet werden. Aus seiner Sicht wäre die beste Lösung, das Abkommen erst gar nicht in Kraft treten zu lassen, meinte Händel. Wie soll nun künftig ein neues Europa aussehen? Auch da hat Händel klare Vorstellungen. „Es geht nur ein soziales, solidarisches und gerechtes Europa mit guter Arbeit, guten Löhnen, guten Renten und einem sozialen Fortschritt für alle, der vor Armut schützt.“
Zuvor hatte ÖGB-Regionalvorsitzender Franz Schöberl aus Braunau an die Situation der unbezahlten Überstunden in Österreich erinnert. 2012 wären rund 68 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet worden. Negative Auswirkungen habe dies laut Schöberl auch auf die Gesellschaft, da lange Arbeitszeiten die Gesundheit beeinträchtigen und Personen an familiären Verpflichtungen hindern würden. Zudem entgingen dem Staat Steuereinnahmen und Beiträge zur Sozialversicherung. Laut Schöberl gibt es auf der einen Seite rund 380 000 Menschen in Österreich ohne Arbeit, auf der anderen Seite würden die Arbeitgeber immer mehr unbezahlte Überstunden verlangen. „Dieser Form der Ausbeutung muss ein Ende gesetzt werden durch verstärkte Kontrollen der Arbeitszeitaufzeichnungen durch das Arbeitsinspektorat“, so die Forderung Schöberls.
Simbachs Bürgermeister Günther Wöhl erinnerte in seinen Grußworten an die Europawahlen. Mittlerweile sei Europa Alltag und man lebe in Simbach an einer Verbindungslinie, bei der es allerdings noch sehr viel zu tun gäbe. Wöhl sprach die Herausforderungen für die Kommunen an, wenn es wegen der Freizügigkeit innerhalb Europas zu einer immer größer werdenden Zuwanderung komme. Empört zeigte er sich, dass gerade hieraus Stimmung vor den Europawahlen gemacht werde. Auch sei eine Tendenz sichtbar, dass ausgerechnet Europagegner ins Europäische Parlament geschickt werden. Hier sollten sich auch die Gewerkschaften aufstellen und dieser Entwicklung entgegentreten.
In seinen Schlussworten sagte DGB-Regionsvorsitzender Donau-Wald Edwin Urmann, dass es in Zeiten des politischen Desinteresses auch für Gewerkschaften nicht einfach sei Aufmerksamkeit für soziale Themen zu wecken. Daher werde man sich verstärkt für die Rechte der Arbeitnehmer einsetzen und weiterhin Widerstand gegen Sozialabbau leisten.
Der Neujahrsempfang wurde musikalisch von der Jazzformation „Doc Golightly“ aus Landshut umrahmt.
21 January 2014
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