EU-weites Recht auf Girokonto
Jürgen Klute, Europaabgeordneter der LINKEN. Berichterstatter. : „Mit der Abstimmung morgen zeigt das Europäische Parlament, dass Bankenregulierung auch die Interessen sozial schwächerer Bürger ins Zentrum stellen kann.
Verbraucher, Sozialverbände, Schuldnerberatungen und Migranten haben die Initiative, hinter die wir uns morgen stellen, über Jahre eingefordert. Gerade was das zentrale Element der Kontenrichtlinie angeht, den EU-weiten Rechtsanspruch auf ein einfaches Girokonto, hat das Europaparlament in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt.
Vor eineinhalb Jahren haben wir die Kommission mit breiter Mehrheit aufgefordert, eine Richtlinie zu diesem Thema vorzulegen. Die Kommission hat dem am 8. Mai dieses Jahres entsprochen. Ich möchte mich daher an dieser Stellen bei allen Schattenberichterstattern, bei Frau Gebhardt, bei Frau Bowles und den Koordinatoren im Wirtschaftsausschuss und bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen, im Ausschuss, in den Mitarbeiterbüros und auch in der Kommission ausführlich für die gute und effiziente Zusammenarbeit bedanken.
Ich denke, wir haben es geschafft, die Parlamentsarbeit in einem guten Tempo zu bewältigen. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei der litauischen Ratspräsidentschaft – auch wenn sie heute hier nicht präsent ist – bedanken, dass sie dieses Dossier – das Verbraucherrecht auf Zugang zu einem Konto – zu einer Priorität ihrer Arbeit gemacht hat. Das stand ursprünglich nicht auf der Liste. Wir hatten darum gebeten und die litauische Ratspräsidentschaft hat sich darauf eingelassen – also herzlichen Dank dafür.
Dem haben wir es zu verdanken, dass nun auch der Rat im Grunde zeitgleich mit uns arbeitet und kurz davor ist, eine abschließende Position dazu zu finden.
Wir können es schaffen – und ich freue mich, dass Kommissar Barnier das auch so sieht –, die Kontenrichtlinie in dieser Wahlperiode zu verabschieden. Ich finde, das wäre ein gutes Zeichen, dass sich in der EU auch sozialer Fortschritt vorantreiben lässt. Ich sage das auch ein Stück weit an die Adresse meiner eigenen Partei – aber das ist ein anderes Thema, auf das ich hier nicht weiter eingehen will und kann.
Der Binnenmarkt hat dieses Jahr seinen 20. Geburtstag gefeiert. Bei den Verbrauchern und zunehmend auch bei den Arbeitnehmern ist vom Binnenmarkt aber immer noch nicht so viel angekommen. Wenn wir das nicht ändern, wird es uns immer schwerer fallen, die Bürger vom europäischen Projekt zu überzeugen.
Für einen Arbeitnehmer oder einen Studenten, der nach Großbritannien oder nach Italien zieht, darf es kein langwieriger Kraftakt sein, ein neues Konto zu eröffnen oder ein altes Konto zu schließen. Das sind Erfahrungen, die meines Erachtens in der EU von heute nichts zu suchen haben.
Die Richtlinie soll deshalb dafür sorgen, dass Verbraucher in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben wollen, ein Girokonto eröffnen können, mit dem sie grundlegende Zahlungsdienste nutzen können. Der Bankensektor hat die Forderung eingebracht, dass Verbraucher dieses Recht erst dann in Anspruch nehmen dürfen, wenn sie eine persönliche Verbindung zu dem EU-Staat nachweisen können, in dem sie ein Basiskonto eröffnen wollen. Ich bin den Kollegen im Ausschuss, die diese Ansicht geteilt haben, entgegengekommen, weil es ohnehin die Normalität sein wird, dass Bürger ihren Rechtsanspruch dort nutzen wollen, wo sie eine Beschäftigung suchen, studieren oder einen anderen Bezug haben.
Ich finde aber nicht, dass wir als europäische Institution Mitgliedstaaten vorschreiben müssen, dass solch ein Bezug zum Mitgliedstaat abgefragt wird. Ich habe in diesem Sinne einen Antrag eingebracht, den ich auch im Ausschuss wortwörtlich als Kompromiss vorgelegt hatte. Ich wünsche mir und ich hoffe, dass Sie diesen Antrag morgen unterstützen können, ebenso wie den Antrag, den ich gemeinsam mit meinem Kollegen Philippe De Backer eingebracht habe. Hier geht es ebenfalls darum, Mitgliedstaaten flexiblere Möglichkeiten zur Gestaltung des Zugangsrechts aufs Konto an die Hand zu geben.
In diesem 20. Jahr des Binnenmarktes ist es auch gut, dass wir Verbrauchern ein modernes Grundrecht an die Hand geben. Bargeldzahlungen werden immer mehr ersetzt, in einigen Ländern sind größere Barzahlungen aus Gründen der Gefahr der Steuerhinterziehung bereits verboten.
Ein Konto ist deshalb eine Notwendigkeit, von der beinahe 60 Millionen EU-Bürger ausgeschlossen sind. Es ist ein deutliches Zeichen, dass wir Banken stärker in die Pflicht nehmen müssen, ihre gesellschaftlichen und ökonomischen Aufgaben zu erfüllen. Bankkunden müssen gestärkt werden. Dazu gehört es, Gebühren und Zinsen vergleichbar und durchschaubar zu machen und Kontenwechsel zu vereinfachen.
Ich freue mich, dass beinahe alle Fraktionen diese Grundlagen geteilt haben. Die meisten Punkte, bei denen wir unterschiedliche Auffassungen hatten, haben die Frage betroffen, wie viel Harmonisierung auf EU-Ebene benötigt wird und wie viel wir den Mitgliedstaaten überlassen sollten.
Das wird eine Frage sein, die wir bei den Verhandlungen mit dem Rat wieder auf den Tisch liegen werden. Ich denke, die Mitgliedstaaten hatten Zeit, eigenständige Lösungen zu entwickeln, um die Ziele der Richtlinie umzusetzen. Sie haben es in ihrer Mehrheit aber nicht getan. Dass die Kommission diese Richtlinie vorgelegt hat, lag auch daran, dass nur wenige Mitgliedstaaten auf die Empfehlungen der Kommission aus dem Jahr 2011 reagiert haben. Das sollten wir nicht vergessen. Trotzdem, finde ich, haben wir hier einen tragbaren Kompromiss gefunden, der beiden Sichtweisen Rechnung trägt und die nötige Flexibilität erlaubt, um auf nationale Besonderheiten einzugehen.“