Helmut Scholz, DIE LINKE.: Öffentliche Aufträge als Steuerungselement

Helmut Scholz, Europaabgeordneter der LINKEN. und Berichterstatter: „Wir stehen häufig vor der Frage ob es besser sei, Fragen der wirtschaftlichen Kooperation im Weltmaßstab, in bilateralen Abkommen oder auf multilateraler Ebene zu regeln. Wie Ihnen aus vielen Debatten bekannt ist, spreche ich mich in aller Regel für die multilaterale Ebene aus, um ein internationales Regelwerk zu schaffen, das von vielen Partnern gemeinsam konzipiert wurde und unterschiedlichen Bedürfnissen bestmöglich entspricht. Das erfordert, zugleich die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegebenheiten in allen teilnehmenden Ländern und deren Rückwirkung auf die jeweils eigene Situation zu berücksichtigen und in gemeinsames Herangehen an die Ausgestaltung der wirtschaftlichen Kooperation in einer immer stärker vernetzten und voneinander abhängigen Weltwirtschaft münden zu lassen.

Die Revision des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen Government Procurement Agreement schafft ein solches internationales Regelwerk, eingebettet in den Rahmen der Welthandelsorganisation. Das bislang bestehende GPA umfasst derzeit 15 Vertragsparteien, darunter die EU mit ihren Mitgliedstaaten, ferner Armenien, Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Korea, Lichtenstein, Norwegen, die Schweiz, Singapur, Taiwan und die USA. Im Kern also handelt es sich um ein Abkommen zwischen Industrieländern.

27 weitere Staaten und Vertragsparteien — darunter Indien — haben Beobachterstatus, von denen 10 bereits konkrete Beitrittsverhandlungen führen, darunter vor allem China, Neuseeland und die Ukraine. Diese Liste macht zugleich deutlich, dass das Abkommen bislang für die überwiegende Mehrheit der WTO-Mitglieder weniger interessant war. Insbesondere das Fehlen großer Namen wie Brasilien, Russland und Südafrika und fast aller Entwicklungsstaaten gibt einen Hinweis auf mögliche Defizite des Abkommens.

Die Neufassung des Abkommens enthält eine Reihe von Verbesserungen, insbesondere was die Transparenz und den Ablauf der Ausschreibungsverfahren angeht. Ich begrüße hier sehr, dass im neuen GPA explizit genannt wird, dass Auftraggeber künftig in den technischen Spezifikationen Umweltbelange benennen können. Das ist die richtige Richtung, die auch dem Kurs innerhalb der Europäischen Union entspricht. Von der Kommission würde ich gerne hören, dass sie sich in den weiteren Gesprächen um den Ausbau des GPA auch für eine explizite Nennung von Spezifikationen hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmerinnenrechten einsetzt, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und die Mindestentlohnung, um Dumpingangebote zu verhindern.

Ich möchte der Kommission zugleich empfehlen, hier über weitere Verbesserungen nachzudenken, die das Regelwerk letztlich auch für die Mehrheit der WTO-Mitglieder, die Entwicklungsländer, interessant machen könnten. Dabei denke ich an Ausnahmeregelungen zur Vorgabe inländischer Rekrutierung von Arbeitskräften und Gütern, an Joint Ventures und an technische Unterstützung bei der Umsetzung neuer Vorgaben wie der Datenbanken zur Ausschreibung sowie an im Einzelfall definierte Ausnahmen von der Marktöffnung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass gerade meine Fraktion im öffentlichen Beschaffungswesen eines der wichtigsten Instrumentarien sieht, um mit Steuergeldern wichtige Wirtschaftsimpulse in einzelnen Regionen zu geben, Beschäftigung zu fördern, soziale Maßstäbe zu setzen und wichtige Umweltprinzipien zu fördern. Ich habe daher sorgfältig geprüft, ob das veränderte GPA die Umsetzung der gerade erst überarbeiteten Richtlinien zum Beschaffungswesen innerhalb der EU gefährdet. Dafür habe ich eine große Anzahl von stakeholdern zu einer Anhörung eingeladen.

Nach meiner Analyse können Auftraggeber in der EU weiterhin die Einhaltung von arbeits- und umweltrechtlichen und von Entgeltvorgaben verlangen, sofern diese Vorgaben gleichermaßen für EU-Anbieter und für Anbieter aus den GPA-Staaten gelten.

Ich fordere die Kommission auf, dies heute noch einmal zu bestätigen. Öffentliche Aufträge müssen weiterhin als Steuerungsinstrument dienen können. Ich empfehle die Annahme des überarbeiteten GPA.“