Eisenbahnliberalisierung: Direktvergaben von Bahnlinien bedroht!
Reden im Verkehrsausschuss (TRAN)
Vielen Dank!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wie bereits mehrfach angemerkt, stehe ich dem Eisenbahnpaket kritisch gegenüber. Die Kommission verfolgt unbeirrt ihr Liberalisierungsvorhaben im Eisenbahnsektor und eröffnet ein weiteres Kapitel in dieser kompromisslosen Politik.
Die PSO-Verordnung wurde nach zehn Jahren schwieriger Diskussionen und Kompromisssuche sowie drei unterschiedlichen Kommissionsvorschlägen verabschiedet und trat 2009 in Kraft. In Deutschland ist wohlgemerkt erst am 01.01.2013 ein in Hinblick auf die VO 1370 novelliertes Personenbeförderungsgesetz in Kraft getreten.
Bevor die Verordnung jetzt zur praktischen Anwendung gebracht werden kann, soll sie grundsätzlich revidiert werden. Diesen Vorschlag erachte ich in zeitlicher und auch inhaltlicher Hinsicht als fragwürdig. Die Kommission wartet auch die Fortschrittsberichte der Mitgliedsstaaten, festgelegt in Art. 8, Abs.2 der Verordnung 1370, nicht ab. Das zeigt, dass sie den damaligen politischen Kompromiss nicht zu akzeptieren gewillt ist.
Ich spreche mich gegen die vorgeschlagenen Änderungen der Verordnung aus.
Nun detaillierter zum Berichtsentwurf von Kollege Grosch: Insgesamt muss ich feststellen, dass weder der Kommissionsvorschlag noch der Berichtsentwurf eine Verbesserung der geltenden Verordnung Nr. 1370/2007 darstellt. Die Notwendigkeit einer Änderung der Verordnung sollte meines Erachtens daher dringend überdacht werden.
Der Bericht von Hr. Grosch enthält einige Verbesserungen gegenüber dem Vorschlag der Kommission, so etwa bei der zuständigen örtlichen Behörde (Änderungsantrag 13), der Regelung zu Qualitäts- und Sozialstandards (Änderungsantrag 31) oder der neuen Definition von Schienenpersonenverkehr, die klarstellt, dass die Regelung nicht für Straßen- und U-Bahnen gilt.
Bei den Übergangsregelungen sieht der Berichtsentwurf eine Übergangsfrist für die Pflicht zur wettbewerblichen Vergabe im Eisenbahnverkehr bis 2029 vor (Änderungsanträge 37, 38, 10 und 11). Ich begrüße, dass sich die Übergangsvorschrift auf alle Vergabearten bezieht. Der Kommissionsvorschlag will demgegenüber ausdrücklich ausschließen, dass sich die Übergangsvorschrift auch auf die Voraussetzungen der Direktvergabe bezieht.
Andere Vorschläge, wie z. B. die geänderte Definition gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, schafft eher Rechtsunsicherheit und sind keine Verbesserung zum Kommissionsentwurf bzw. Status Quo.
Die im Grosch-Bericht vorgeschlagene Pflicht zur „Rechtfertigung“ der Direktvergabe (Änderungsantrag Nr. 36) geht weit über den Kommissionsvorschlag hinaus. Aus dieser Vorschrift könnte sich eine massive Bedrohung aller Direktvergaben ergeben, denn der Nachweis, dass ausschließlich über die Direktvergabe Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Qualität erbracht werden können, wird im Vorhinein kaum zu erbringen sein. Die Regelung würde faktisch bewirken, dass keine Direktvergabe mehr rechtssicher realisiert werden könnte. Damit würden die nach der heutigen Verordnung bestehenden Möglichkeiten der Gebietskörperschaften, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die jeweils angemessene Vergabeart zu entscheiden, auf einen obligatorischen Ausscheidungswettbewerb reduziert. Das ist inakzeptabel!