Litauen: Eiserne EU-Ratspräsidentschaft?

Gabi Zimmer, Fraktionsvorsitzende der europäischen Linken GUE/NGL, im Plenum des Europäischen Parlaments:
„Selbstverständlich begrüße ich, dass mit Ihrer Präsidentschaft ein weiteres osteuropäisches Land für ein halbes Jahr die Moderation hier in der Europäischen Union übernimmt und versucht, sich den wichtigen Themen zu stellen, und es ist ja heute sowohl von Ihnen als auch von den Kollegen, die bisher hier für das Parlament gesprochen haben, eine ganze Reihe aufgelistet worden.

Ich werde es mal ganz konkret machen: Die Presse hat Ihnen den Titel „Eiserne Lady“ verpasst, unter anderem auch dafür, dass Sie massiv Haushaltskürzungen durchgeführt haben; insbesondere öffentliche Ausgaben sind in Litauen gekürzt worden. Ich möchte deshalb schon gerne von Ihnen wissen, wie Sie die Präsidentschaft angehen wollen. Wird das eine eiserne Präsidentschaft, jetzt in dieser Zeit, angesichts der notwendigen Aufgaben, die zu lösen sind, und angesichts der unterschiedlichen Erfahrungen, die wir mit den zurückliegenden Präsidentschaften gemacht haben? Wir hatten vor einem Jahr eine Präsidentschaft, bei der das Motto galt, ein ehrlicher Makler zwischen den Institutionen sein zu wollen, zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission. Wir haben jetzt gerade erst eine Präsidentschaft zu Ende gehen sehen, bei der es in erster Linie um Ergebnisse ging. Sie selbst haben auch an verschiedenen Stellen erklärt, es geht Ihnen um commitment und um Ergebnisse/results.

Wird das praktisch dann auch ein solcher Stil in der Verhandlungsführung zum Beispiel mit uns als Europäischem Parlament? Sie wissen, dass Sie konkret auch mit den Folgen der Austeritätspolitik, die bisher massiv von der Europäischen Union betrieben worden ist, konfrontiert sind. Wird es hier von Ihrer Seite den Versuch geben, auf die tatsächlichen Ergebnisse der Austeritätspolitik einzugehen und auch ein Umdenken im Rat mit zu ermöglichen? Wie werden Sie sich der Aufgabe stellen, an der bisher die Union, und vor allem der Rat, gescheitert sind, eine tatsächliche soziale Dimension der Bankenunion, die ja vorgesehen ist, auch durchzusetzen?

Wie gehen Sie — gerade mit dem Hintergrund als ehemalige Kommissarin für Finanzen, die sich im Haushalt der Europäischen Union auskennt — eigentlich insgesamt mit der Fragestellung um, dass wir es jetzt mit einem MFR zu tun haben, der im September als Verordnung ins Parlament kommen wird und von dem wir annehmen, hoffen, dass noch Nachbesserungen ermöglicht werden? Wie stehen Sie denn zu der unity des MFR, zu der Frage, dass ganze Komplexe außerhalb des MFR sind, die dann gar nicht abgedeckt sind? Wie bewerten Sie denn die erreichte Flexibilität, wenn gleichzeitig nicht hundertprozentig klar ist, was mit den Defiziten aus dem Jahre 2013 geschieht? Wenn die in den nächsten MFR verschoben werden, was wird denn dann tatsächlich bezahlt? Wo kommen die Gelder her? Wo sind sie?

Wie bewerten Sie die Vorbereitung bzw. das Stattfinden des Gipfels zur Jugendarbeitslosigkeit in Berlin, der aus meiner Sicht — und diese Sicht teile ich mit nicht wenigen Kollegen — von Kanzlerin Merkel vor allem als Wahlkampfthema genutzt wird, und wo ich schon erwarte, dass gesagt wird, ja, wir unterstützen, dass in den ersten zwei Jahren ein front-loading passiert und dass 6 Milliarden Euro bereitgestellt werden, 8 Milliarden innerhalb der sieben Jahre. Was passiert denn, wenn die Wahlen vorbei sind? Dann lässt Frau Merkel das Thema wieder fallen, weil es sie dann nicht mehr interessiert. Werden Sie in dieser Zeit jetzt das Thema Jugendarbeitslosigkeit wirklich auf Ihre Fahnen schreiben? Und werden Sie auch sagen: Das ist Aufgabe der Präsidentschaft. Wir haben das zu tun und nicht jemand der mitten im Wahlkampf steht.

Wie nutzen Sie die Zeit? Und vielleicht noch eine Bemerkung: Sie haben vorhin von Menschenrechten und Demokratie gesprochen. Wir haben gestern Herrn Orbán gehört. Ich finde, das war ein peinlicher Auftritt von ihm. Wie werden Sie darauf Einfluss nehmen? Wir haben die Diskussion um die NSA, den Abhörskandal der USA, mit politischen Weiterungen. Mitgliedstaaten verweigern jetzt schon Staatspräsidenten die Überflugrechte, nur weil sie gerade aus Moskau kommen und ihnen unterstellt wird, sie hätten Snowden an Bord. Ich finde, das ist ein Skandal! Was werden Sie tun? Werden Sie die Verhandlungen mit den USA aufnehmen? Was wird in den nächsten Monaten passieren? Ich denke, das ist ein Skandal, das ist ein Problem, da erwarten wir ganz konkrete Antworten! Das kann nicht hingenommen werden!“