„Wir wollen ein Europa von unten und kein Wettbewerbsdiktat von oben“
Redebeitrag zur Konzessionsrichtlinie und dem Wassersektor bei einer Bündnisveranstaltung in Stuttgart im Schloss
Die Vertragsgrundlage der EU ist der Lissabon-Vertrag. Die Wettbewerbspolitik im EU-Binnenmarkt steht im Zentrum der EU-Politik. Ziel ist es, möglichst viele öffentliche Dienstleistungen dem Markt zur Verwertung für private Unternehmen zuzuführen.
Im Rahmen der Revision des Vergaberechtes hat die Europäische Kommission Ende 2011 erstmals eine europaweite Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen vorgeschlagen. Dienstleistungskonzessionen waren bisher vom europäischen Vergaberegime ausgenommen. Sie werden vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge für Wasser, Abfall, Energie, das Gesundheitswesen und Sozialdienstleistungen verwendet. Wir als Linksfraktion haben uns seit Beginn gegen diese Richtlinie ausgesprochen. Wir halten eine europaweite Regelung der Konzessionsvergabe für nicht notwendig und befürchten eine weitere Öffnung für die Privatisierung von Bestandteilen staatlicher Daseinsvorsorge.
Das Europäische Parlament hat in der Vergangenheit in zwei Stellungnahmen mit jeweils großer Mehrheit eine Regulierung von Dienstleistungskonzessionen abgelehnt. Bei der Abstimmung im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments am 24.01.2013 stimmten allerdings nur noch unsere Fraktion und die Grünen geschlossen gegen den Richtlinienvorschlag, von den Konservativen und den Sozialisten leider nur einzelne Abgeordnete (Abstimmungsergebnis: 28 dafür, 10 dagegen, 2 Enthaltungen).
Sollte die neue europäische Richtlinie in Kraft treten, würde die Entscheidungsfreiheit der Kommunen enorm eingeschränkt. Sie müssten zukünftig bei der Vergabe von Konzessionen ab einer Umsatzhöhe von 8 Millionen Euro für eine europaweite Ausschreibung sorgen. Das ist die bisherige Position des Parlaments. Zurzeit wird das Abstimmungsergebnis des Binnenmarktausschusses im Trilogverfahren mit Rat und Kommission hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. In den derzeitigen Verhandlungen schlagen Kommission und Rat eine Grenze von 5 Millionen Euro vor. Nur wenn die Dienstleistung zu mehr als 80 % für die Kommune erbracht wird und der Versorgungsbetrieb im kommunalen Haushalt konsolidiert wird, würde die Ausschreibungspflicht entfallen.
Die Richtlinie erhöht damit den Druck zur europaweiten Ausschreibung von Konzessionen erheblich. Zwar könnten sich auch städtische Unternehmen um eine Konzession bewerben, allerdings nicht mit den Möglichkeiten, die großen, europa- und weltweit tätigen privaten Konzernen zur Verfügung stehen. Soziale Kriterien oder gar eine Tariftreue-Klausel soll die Richtlinie dagegen nicht vorschreiben.
Den Preis zahlen am Ende ArbeitnehmerInnen durch Arbeitsplatzabbau und Druck auf die Löhne, die BürgerInnen dagegen durch explodierende Preise, z.B. für Wasser oder Energie und die Kommunen durch den Verlust der Kontrolle über wichtige Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge.
In Deutschland hat sich insbesondere auf Seiten der Länder und Kommunen starker Widerstand gegen den Vorschlag für eine Konzessionsrichtlinie formiert. Vor allem wird befürchtet, dass Städte und Gemeinden durch die Richtlinie gezwungen werden könnten, ihre Wasserversorgung zu privatisieren. Auch wenn die Richtlinie dies nicht ausgesprochen verlangt, hat sie das Ziel, die in ihr geregelten Bereiche „dem Markt zu öffnen“ (Erwägungsgrund 11). Das betrifft auch das Wasser, denn eine Ausnahme für Wasser wurde zu unserem Missfallen abgelehnt. Auf nationaler Ebene haben sich die Bundesländer im Bundesrat gegen die Richtlinie und die Erfassung des Wassersektors ausgesprochen (am 01.03.2013).
Grund für die Befürchtung, dass eine Vielzahl von Kommunen künftig Wasser- und Abwasserkonzessionen ausschreiben werden müssen ist, dass eine Vielzahl der kommunalen Unternehmen bzw. Stadtwerke, die als rechtlich selbstständige Eigengesellschaften der Kommunen die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung inne haben, nicht die Voraussetzungen für ausschreibungsfreie In-House-Vergaben und ausschreibungsfreie Vergaben an verbundene Unternehmen erfüllen. Die ausschreibungsfreie Konzessionsvergabe an In-House-Einrichtungen oder verbundene Unternehmen setzt voraus, dass diese Einrichtungen bzw. Unternehmen im Wesentlichen für die konzessionsvergebende Stelle tätig sein müssen, d.h., dass mindestens 80% ihres Gesamtumsatzes mit Leistungen für die konzessionsvergebende Stelle erwirtschaften müssen.
Die überwiegende Zahl der deutschen Stadtwerke sind in einer Reihe von Wirtschaftsbereichen aktiv, vor allem auch im Energiesektor. Im liberalisierten Energiebereich agieren sie wie gewöhnliche Unternehmen in Konkurrenz zu privaten Anbietern und erwirtschaften einen erheblichen Teil ihrer Umsätze mit Dritten, nämlich mit Strom- oder Gaskunden außerhalb ihrer Gemeinde. Diesen sogenannten Mehrsparten- Stadtwerken gelingt es daher unter Umständen nicht, das Wesentlichkeitskriterium zu erfüllen, so dass sie in Zukunft nicht direkt ohne Ausschreibung eine Konzession zur Wasserversorgung von der Kommune erhalten könnten.
Im Vorfeld der Trilog-Verhandlungen kündigte Binnenmarktkommissar Barnier offenbar auf massiven politischen und medialen Druck deutscher Kommunen hin und der Europäischen Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“ Nachbesserungen der Richtlinie an. Die traditionelle Strukturierung öffentlicher Unternehmen in den Mitgliedstaaten sei stärker zu respektieren und Mehrspartenunternehmen sollten weniger häufig in eine europaweite Ausschreibung des Wasserbereiches gezwungen werden.
Sein Vorschlag beinhaltet, die 80-Prozent-Umsatzgrenze nur auf den Wassersektor zu beziehen und nicht auf den Gesamtumsatz. Bedingung sei, dass die Wassersparte bis 2020 organisatorisch oder zumindest buchhalterisch von den anderen Tätigkeiten des Unternehmens, z.B. Energieversorgung getrennt werde. Somit könnte eine Ausschreibungspflicht für die Wassersparte von Mehrspartenunternehmen verhindert werden.
Entwarnung ist jedoch nicht angesagt, denn auch die nachgebesserte Konzessionsrichtlinie würde erheblich in die kommunalen Strukturen der Wasserwirtschaft in Deutschland eingreifen. Ferner ist uns die Haltung der Kommission bezüglich Privatisierung und Deregulierung nur allzu gut bekannt – rigoros, wie auch folgendes Zitat aus einem Brief der Kommission an Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hinsichtlich der Privatisierung der Wasserversorgung in Griechenland deutlich macht: „Die Kommission glaubt, dass die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen, einschließlich der Wasserversorgung, Vorteile für die Gesellschaft bringen kann, wenn sie sorgfältig durchgeführt wird“.
Derzeit laufen die Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, vertreten durch seinen Binnenmarktausschuss, der Europäischen Kommission und dem Rat, der dabei durch die irische Präsidentschaft vertreten wird.
Bislang stützt die Bundesregierung noch die Position der EU-Kommission, allerdings schien der anhaltende Gegenwind auch Angela Merkel unter Druck zu setzen. Auf dem Deutschen Städtetag im April sagte sie bzgl. der Privatisierung von Wasser: „Über das Wasser wollen wir uns mit dem Deutschen Städtetag nicht anlegen. Das ist so ein Elementargut.“ Sie werde „intensiv für das Wasser kämpfen“ (FAZ, 25.04.2013). In der FAZ-Ausgabe vom 05.05.2013 war allerdings zu lesen, dass die Bundesregierung der EU-Richtlinie nun doch zustimmen wolle, da der Vorschlag von Barnier eine gute Grundlage für die laufenden Verhandlungen darstelle.
Das Votum der Bevölkerung in Deutschland gegen Wasserprivatisierung ist klar: Laut einer Umfrage des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) wollen 82 % der deutschen Bevölkerung, dass Städte und Gemeinden für die Wasserversorgung zuständig bleiben.
Entsprechend einem aktuellen Vorschlag in den Trilogverhandlungen in Bezug auf die Debatte der Wasserprivatisierung sei folgender Satz zur Klarstellung in Artikel 2 einzufügen: „2. This Directive does not affect Member States systems of property ownership and in particular it does not require the privatization of public enterprises providing services to the public.“
Aus oben genannten Gründen ist auch dieser Einschub – wenn er es denn überhaupt in den finalen Gesetzestext schafft – kein Allheilmittel und wir befürchten dennoch die Privatisierung „durch die Hintertür“.
Die Abstimmung im Plenum ist laut Plan im Herbst vorgesehen. Bis dahin gilt es den Druck auf die Abgeordneten weiter zu erhöhen, den Bericht zurückzuweisen. Wir wollen ein Europa von unten und kein Wettbewerbsdiktat von oben.