Zweifelhafte Prioritäten: Programm der irischen EU-Ratspräsidentschaft

Plenarrede von Gabi Zimmer

(es gilt das gesprochene Wort):

„Schon der Titel des Programms der irischen Präsidentschaft „Stabilität, Arbeitsplätze, Wachstum“ zeigt, dass Armutsbekämpfung in der EU und weltweit, Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und auch ökologischer Zerstörung nicht oberste Prioritäten Ihres Programms sind. Es geht nicht um die verantwortungsvolle Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze, die dringend gebraucht werden. An dieser Tatsache ändert aus meiner Sicht auch der blumige Blick auf die Menschen nichts. Das Programm des Vorsitzes geht weder von den Lebensproblemen der Griechinnen und Griechen aus, noch entspricht es insgesamt der EU-Nachhaltigkeitsstrategie.

Die irische Präsidentschaft – und das ist uns allen klar – steht vor großen Herausforderungen. Ich befürchte aber, Sie stellen nicht einmal die Fragen, die eigentlich notwendig sind und die mit den anstehenden Entscheidungen der nächsten sechs Monate verbunden sind. Ist das Ruder in den Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 und um den Kohäsions- und Strukturfonds noch herumzureißen? Wird die irische Präsidentschaft auch nur den Versuch unternehmen, Struktur- und Kohäsionsfonds als Instrument der Solidarität, der Angleichung, der Entwicklung innerhalb der Europäischen Union zu bewahren?

Heute, pünktlich zur Übernahme der Präsidentschaft hier in diesem Parlament, titelt die Süddeutsche Zeitung „Europa leidet, Deutschland gewinnt“. Welche Überschriften werden am Ende Ihrer Präsidentschaft stehen? Werden Sie als ehrlicher Makler versuchen, die Spaltung der Union, die Verschärfung der Disparitäten auszugleichen? Wollen Sie das überhaupt? Es dürfte schwer sein, glaubwürdig zu vermitteln. Offensichtlich sehen Sie sich durch die Bedingungen dazu gezwungen, etwas zu tun, was auch bisher nicht üblich war, nämlich die Präsidentschaft zu verbinden mit den Interessen der irischen Regierung. Anders kann ich es nicht verstehen, dass Sie unmittelbar nach Übernahme der irischen Präsidentschaft nichts anderes zu tun hatten, als sofort zur CSU-Landesgruppe zu reisen und an deren Tagung teilzunehmen. Offensichtlich sind Sie auf das Wohlwollen und auch auf das Lob der deutschen Regierung angewiesen. Das zumindest lässt die Frage stellen, ob Sie für einen Interessenausgleich der unterschiedlichen Interessengruppen innerhalb des Rates sorgen können.

Ich sage es auch sehr deutlich: Meine Fraktion ist mit dem Vorschlag zur Struktur des Mehrjährigen Finanzrahmens nicht einverstanden. Der Rat schlägt Kürzungen hauptsächlich bei den Mitteln für soziale Programme und Forschung, für soziale und territoriale Kohäsion, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe vor. Die Kürzungen, die bei den Struktur- und Kohäsionsfonds vorgesehen sind – 35 Milliarden Euro weniger als für den bisherigen Zeitraum –, führen zwangsläufig zur Verstärkung des Nord-Süd-Gefälles. Das Europa der Solidarität, Herr Taoiseach, wird unter Ihren Augen zum Europa der Austerität. Und Austerität ist antieuropäisch.

Sie haben sich zur Idee der Jugendgarantie bekannt. Gut! Welche Vorstellungen haben Sie allerdings zur Finanzierung? Bitte lassen sie jeden Gedanken daran fallen, die Jugendgarantie aus dem ESF zu finanzieren. Greifen Sie den Vorschlag Ihres österreichischen Kollegen auf, den er gestern unterbreitet hat, setzen Sie den Rabatten ein Ende, nehmen Sie die freiwerdenden Gelder, finanzieren Sie damit das, was notwendig ist, nämlich die Schaffung konkreter Arbeitsplätze für junge Menschen. Sorgen Sie dafür, dass diese Arbeitsplätze sozialrechtlich abgesichert sind, dass Mindesteinkommen gezahlt werden und dass nicht durch den Abzug von Geldern zur Bekämpfung von Armut aus dem ESF gleichzeitig ein neues Heer von billigen Arbeitskräften geschaffen wird, die langfristig in Armut verbleiben. Das wird Ihre Aufgabe sein, daran werden wir Sie messen, das wäre nachweislich ein wirklicher, sensibler Blick auf die Menschen, zu dem Sie sich bekannt haben.“