Asbestverbot als Beitrag im Kampf gegen todbringende Fasern!

Rede von Sabine Wils im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sie wissen wie ich, dass wir beim Schreiben einer Stellungnahme bestimmte Auflagen berücksichtigen müssen, auch wenn der Gegenstand der Diskussion sehr relevant und sensibel hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit und der Rechte aller EU-Bürgerinnen und Bürgern ist.

Ich begrüße, dass im Berichtsentwurf unseres Kollegen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten viele Empfehlungen und Bedenken bereits berücksichtigt wurden.

Eine klare Aussage für die Beendigung der Ausnahmeregelung bezüglich der Verwendung von Chrysotil ist meines Erachtens dringend notwendig und richtig.

An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass wir in der letzten Legislaturperiode – als wir unser Mitspracherecht als EP genutzt haben – keinen Erfolg im Plenum mit einem endgültigen Verbot hatten.

Weitere Empfehlungen in Bezug auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der menschlichen Gesundheit sind im Berichtsentwurf genau festgelegt und ich denke, dass unser Entwurf einer Stellungnahme eine gute Ergänzung und Vervollständigung des EMPL-INI Berichts ist.

Ich möchte drei dringende Probleme ansprechen, die nicht vernachlässigt oder unterschätzt werden dürfen:

Erstens zunächst die Dringlichkeit der Registrierung aller Fälle von Asbestose und Mesotheliomen im Rahmen einer systematischen Datenerfassung, einschließlich berufsbedingter und nicht berufsbedingter Erkrankungen, da viele der Opfer in der Nähe von verschmutzten und verunreinigten Stätten und Anlagen lebten ohne überhaupt Verwandte der betroffenen Arbeiter zu sein.

Zweitens ist die Durchführung einer zuverlässigen Erfassung und Kartierung zum Vorkommen von Asbest, wie in § 3 meines Entwurfs betont, dringend notwendig. Anderenfalls könnte in Vergessenheit geraten, wo vor allem in öffentlichen und privaten Gebäuden noch Asbest vorhanden ist.

Es handelt sich um eine verzögerte Bombe sowohl für die Sanierungsarbeiter als auch für die Nutzerinnen und Nutzer und Bewohnerinnen und Bewohner entsprechender Materialien und Gebäude.

Die Europäische Asbestkampagne 2006 hatte richtigerweise den Titel: „Asbest ist eine todernste Sache“.

Wenn die Fachkräfte, die Astbestarbeiten durchgeführt haben, älter geworden sind, wird es schwieriger, sich noch an den genauen Standort des zu entfernenden Asbests zu erinnern.

Drittens spielt die Gewährleistung von gleicher und angemessener medizinischer Behandlung aller Asbestopfer, ungeachtet der Quelle ihrer Exposition oder ihres ehemaligen oder gegenwärtigen Beschäftigungsstatus, eine große Rolle.

Es wird ein besonderer Europäischer Fond -getragen von den Mitgliedstaaten und der Kommission – benötigt, um den Fällen astbestbedingter Krankheiten zu begegnen. Laut Schätzungen der WHO beläuft sich die Anzahl auf 20 000 – 30 000 Fälle pro Jahr. Der Höchstwert ist noch nicht erreicht und in den nächsten Jahren zu erwarten.

Ich denke, dass ich die Zahl der zu erwartenden Todesfälle in meinem Stellungnahmeentwurf noch deutlich nach oben korrigieren muss.

Bisher standen allein das Freiwilligennetzwerk von Verbänden, von Vertretern der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Angehörigen den Opfern in den rechtlichen Verhandlungen beiseite und unterstützten sie im Umgang mit ihrer Krankheit.

Ihre Rolle wurde, nicht zuletzt bei einer kürzlich durchgeführten Anhörung im Europäischen Parlament am 18. September, vollständig anerkannt:

Wir fordern nun alle Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission auf, mit hinreichenden finanziellen Mitteln die Verbesserung der nationalen Aktionspläne zum Verbot von Asbest zu bekräftigen.

Folglich müssen alle Sanierungsmaßnahmen in den kontaminierten Stätten und die strenge Einhaltung der bestehenden EU-Vorschriften im Umgang mit gefährlichen und schädlichen Stoffen beim Transport zu “ad hoc” und in gesicherten Deponien gewährleistet sein.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf den Turin-Prozess eingehen:

Im italienischen Eternit-Prozess über die tödlichen Auswirkungen von Asbeststaub ist im Februar dieses Jahres ein geschichtsträchtiges Urteil ergangen.

In einem 2009 begonnenen Strafprozess wurden die beiden höchsten Führungskräfte der multinationalen Eternit-Gruppe – der Schweizer Stephan Schmidheiny und sein belgischer Geschäftspartner Jean-Louis de Cartier de Marchienne – zu je 16 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sie für etwa 3000 durch Asbest verursachte Todesfälle vor allem in Casale Monferrato und Umgebung verantwortlich sind.

Sie wurden des Weiteren zu Schadenersatzzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe an die Asbestopfer, deren Familien sowie einige Organisationen des öffentlichen Lebens verurteilt.

Das Turiner Urteil gegen Eternit beendet ein Verfahren, das wegen der beeindruckend hohen Opferzahlen von manchen als “Prozess des Jahrhunderts” bezeichnet wurde: über 2200 asbestbedingte Todesfälle, 700 Asbestose-Patienten, mehr als 6000 Nebenkläger und eine Armee von 150 Rechtsanwälten.

Mit einem Asbestverbot würden wir einen beträchtlichen Beitrag im Kampf gegen diese todbringende Faser leisten.
Vielen Dank!