»Bürger stehen unter Generalverdacht«

Linksabgeordnete zu Bankdatentransfer an USA Interview in Neues Deutschland, 7. Mai 2010

Am Mittwoch hat das Europäische Parlament gefordert, in einem neuen Abkommen zwischen der EU und den USA zur Weitergabe von Bankdaten die Übertragung großer Datenmengen zu vermeiden, solange man sie auch innerhalb der EU verarbeiten könne. Hintergrund sind die Verhandlungen über ein neues Abkommen, mit dem US-Terrorfahnder Zugriff auf Informationen über EU-Bankkunden und -transaktionen bekommen sollen. Zugleich forderten die Abgeordneten, in einem neuen Swift-Vertrag – in Anlehnung an den belgischen Finanzdienstleister Swift – die maximale Speicherdauer sogenannter Trefferdaten (Daten mit Relevanz für die Terrorfahndung) auf höchstens fünf Jahre zu begrenzen.

ND: Sie haben nach der Annahme der Resolution erklärt, das Parlament habe sich einlullen lassen statt der EU-Kommission harte Bandagen für die Neuverhandlung des Swift-Abkommens anzulegen. Die Forderungen klingen aber gar nicht so lasch.
Ernst: Mit der Resolution haben die Parlamentarier zwar eine strikte Zweckbindung für die Übermittlung europäischer Bankdaten in die USA gefordert, eine ausschließliche Weitergabe einzelner Daten bei konkretem Tatverdacht wurde jedoch nicht angemahnt. Praktisch bedeutet dies, dass einer möglichen Massenweitergabe von Daten kein Riegel vorgeschoben wurde. Zudem halte ich eine Speicherdauer von fünf Jahren für die Trefferdaten für zu lange. Unabhängig davon ist auch offen, ob und wie die Datenlöschung vorgenommen wird. Die Unverhältnismäßigkeit des Datentransfers wird mit der Resolution nicht beseitigt.
Von den USA wird immer wieder darauf verwiesen, dass der Datentransfer ein wichtiges, wirksames Instrument zu Bekämpfung des internationalen Terrorismus sei.
Da melde ich meine Zweifel an. Diese Diskussion kommt immer wieder nach Vorfällen mit terroristischem Hintergrund, wie dem Autobombenfund am Wochenende in New York, auf. Es ist aber ein Trugschluss, dass die Datenweitergabe ein wesentliches Mittel zur Verhinderung von Terrorakten ist. Potenzielle Attentäter werden schnell neue Wege zum Finanztransfer finden, die eine Datenübermittlung zum zahnlosen Tiger machen.
Dagegen wird die Gefahr wachsen, dass unbescholtene Bürger Opfer einer Verwechslung werden, ihr Konto gesperrt wird oder sie noch viel schlimmere Repressionen erleiden. Das Hauptproblem ist und bleibt, dass mit der Datenübermittlung alle Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht gestellt werden. Auch das Bundeskriminalamt und die deutschen Luftsicherheitsbehörden halten den Massendatentransfer für zu aufwendig und wenig effizient.

Im vergangenen Februar hatte das Europäische Parlament den Mut bewiesen, ein vorliegendes Swift-Abkommen abzulehnen. War das in Ihren Augen nur ein Sturm im Wasserglas?
Das war natürlich auch ein Kräftemessen mit dem Rat und der Europäischen Kommission, schließlich hat das Europäische Parlament erst seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Ende vergangenen Jahres Mitentscheidungsrechte im Bereich der Innen- und Justizpolitik. Der Vorgang hat aber ebenso signalisiert, dass die Abgeordneten ihre Rechte wahrnehmen werden.
Fragen: Uwe Sattler