Neufassung der Biozid-Verordnung

Die Biozid-Verordnung, über die derzeit der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments berät, ist eine Neufassung der bereits bestehenden Biozid-Richtlinie und soll die Zulassung von Produkten gegen Schädlinge außerhalb der Landwirtschaft neu regeln.

»Biozide sind Substanzen, die dazu bestimmt sind, Organismen zu vertreiben, zu schädigen oder abzutöten, zum Beispiel Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien. Es gibt eine breitgefächerte Produktpalette vom antibakteriellen Putz- und Desinfektionsmitteln, Holzschutzmitteln bis hin zum Mückenspray und Ameisengift. Momentan gibt es 50.000 Biozidprodukte in der Europäischen Gemeinschaft, in Deutschland sind es rund 18.000. Ausgenommen sind Pflanzenschutzmittel (Pestizide) für die Land- und Forstwirtschaft oder den Garten, da sie anderen Regelungen und Gesetzen unterliegen.»¹
Biozide sind häufig schwer abbaubare, zum Teil krebserregende oder andere hochtoxische Gifte und können bei der Anwendung oder Entsorgung Schäden bei Menschen, Tieren und der Umwelt verursachen. Vor allem bei der Verwendung von Bioziden in Wohnräumen (Holzschutzmittel, Insektenspray etc.) besteht eine Gefahr für Menschen und insbesondere für Kleinkinder.
Die Hersteller weisen darauf hin, dass von ihren Produkten bei sachgemäßer Anwendung keine Gefahr ausgeht. Doch bei jährlich 400.000 Tonnen Bioziden, die in der EU vertrieben und von Privatpersonen verwendet werden, müssen selbstverständlich die unsachgemäße Verwendung und Unfälle berücksichtigt werden. Die Biozid-Verordnung muss den Einsatz gefährlicher Stoffe verbieten und Innovationen zu Gunsten von nachhaltigen, unbedenklichen Alternativen fördern.
Der Vorschlag der Kommission weist eine einseitige Ausrichtung zugunsten wirtschaftlicher Interessen auf. Die Berichterstatterin der konservativen Fraktion, Christa Klaß (CDU), geht in ihrem Bericht noch weiter. Sie möchte unter anderem das Zulassungsverfahren, den Forderungen der Industrie entsprechend, weiter vereinfachen. Es soll nach ihrem Willen nur noch eine EU-Zulassung für alle Produkte erforderlich sein. Bisher werden in der Praxis alle Biozidprodukte von nationalen Behörden überprüft und genehmigt. Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten sind durch unterschiedliche Ökosysteme durchaus gerechtfertigt. Es ist des Weiteren nicht nachvollziehbar, dass Staaten, die ihre Bevölkerung und Umwelt in höherem Maße als von der EU vorgesehen schützen wollen, dies nicht dürfen.
Zentrales Argument der Berichterstatterin ist der Kostenfaktor. Neben den deutlich reduzierten Zulassungskosten für neue Produkte hätten die die Hersteller auch weniger Verantwortung und personellen Aufwand zu tragen. Impulse für mehr Verbraucher- und Umweltschutz fallen hingegen schwach aus. Im Berichtsentwurf wird weder der effektive Schutz von Mensch, Umwelt und Tier, noch der Ausschluss von gefährlichen Substanzen vorgeschlagen. Ein Ansatz zur Förderung der Entwicklung von ungefährlichen Bioziden oder alternativen Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen fehlt ebenfalls.
Die ersten Diskussionen im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie die große Anzahl (580) der eingereichten Änderungsanträge zeugen davon, dass es schwer wird, eine gemeinsame und verbraucherfreundliche Position zu finden.
Ich habe 33 Änderungsanträge eingereicht. Die Zahl ist allerdings etwas irreführend, da ich aus technischen Gründen mehrere Anträge einreichen musste, um etwa einen Artikel des Kommissionsvorschlags komplett löschen zu können. Im Parlament wird derzeit ein neues elektronisches System für die Änderungsanträge ausprobiert, daher diese Schwierigkeiten.
Mit meinen Änderungsanträgen versuche ich, den industriefreundlichen Schwerpunkt der Kommission und der Berichterstatterin auf den Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt zu lenken. Es darf nicht die Priorität der Verordnung sein, den Interessen der Industrie gerecht zu werden. (Aus dem Kommissionsvorschlag: »Zweck dieser Verordnung ist es, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der Gemeinschaft zu steigern.»)
Aus dem gleichen Grund widerspreche ich der Kommission, wenn sie Biozidprodukte mit »niedrigem Risikopotenzial« ohne vorherige Genehmigung der darin enthaltenen Wirkstoffe zulassen möchte. Ich habe das Löschen des entsprechenden Absatzes beantragt, da nur nach der Untersuchung eines Produktes die Klassifizierung als risikoarmes Produkt erfolgen darf.
Weitere Anträge von mir zielen darauf ab, verwässerte Ausnahmeregeln zu korrigieren und klare Anforderungen zu definieren, Unfälle bzw. unsachgemäße Anwendungen als Szenario in der Verordnung zu berücksichtigen und die Verwendung von Nano-Partikeln zu stoppen. Derzeit sind keine ausreichenden Erkenntnisse vorhanden, die belegen könnten, dass Nano-Anwendungen ungefährlich sind. Nano-Partikel sind dermaßen klein, dass sie, ähnlich wie der gefährliche Feinstaub, tief in den Körper von Menschen eindringen können. Welche Folgen das hat, ist noch unbekannt.
Es geht mir darum, den inflationären Gebrauch von gefährlichen Bioziden einzudämmen. Sinn der Verordnung ist nicht, die Profitinteressen der Industrie zu unterstützen. Vielmehr müssen die Hersteller mit Hilfe der Verordnung dazu bewegt werden, in jeder Hinsicht ungefährliche Produkte herzustellen und dabei auch auf alternative Methoden zurückzugreifen. Es muss nicht immer sofort die chemische Keule sein.
Gleichzeitig sollten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher überlegen, wann chemische Biozide wirklich notwendig sind. Organisationen wie das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. geben Tipps, wie Schädlinge im Haushalt vermieden und bekämpft werden können.²
¹) Quelle: Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.
²) Mehr Fantasie statt Chemie (PAN)

Zeitplan (voraussichtlich):

  • 26./27.04.2010: Diskussion der Änderungsanträge im Ausschuss
  • 02./03.06.2010: Abstimmung im Ausschuss
  • Juli 2010: Abstimmung im Plenum

Siehe auch www.sabine-wils.eu/biozide.html