In der Not erkennt man den Freund
EU 2020 – Nachbereitung des informellen Treffens des Europäischen Rates vom 11. Februar 2010 (Aussprache)
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Herr Präsident! In der Not erkennt man den Freund, sagt ein Sprichwort. Da sind 27 Regierungen in der Europäischen Union, die – jede auf ihre Weise – versuchen, ihre eigenen Banken und Großindustrien zu retten. Das bedeutet bisher mehr Schulden eines jeden einzelnen Staates und drastische Sparkurse gegenüber den Menschen. Genannt wird das dann euphemistisch Lohnzurückhaltung, Senkung der Lohnnebenkosten, Privatisierung von Lebensrisiken wie Alter, Familie, Krankheit, Bildungswunsch.
Mit den staatlichen Rettungspaketen für die Banken spekulieren nun genau diese gegen die Staatshaushalte. Die Banken sind da schon weiter als die Staaten. Die Hypo Real Estate und die Commerzbank, die in Deutschland mit Staatsgeldern in Milliardenhöhe gerettet wurden, sind im Griechenland-Geschäft der überteuerten Staatsanleihen ganz vorne dabei. Da wird mit Steuergeldern spekuliert, und zwar mit denen der ehrlichen Normalverdiener, die keine Schweizer Konten haben, auf die die Reicheren fliehen.
(Zwischenruf)
Es macht mir keinen Spaß, mit deutschen Negativbeispielen zu argumentieren, Herr Kollege. Aber in Deutschland schreit eine Regierungspartei beständig nach Steuererleichterungen, gleichzeitig ruft man die griechische Regierung auf, mehr Steuern einzutreiben. Wer aber wird die aufbringen müssen? Ich fürchte, vor allem diejenigen, die jetzt schon mit ihrem Arbeitslohn kaum über die Runden kommen. Ist es nicht der einstige Exportweltmeister Deutschland, der die Lohnentwicklung seit Jahren von der Produktivität abgekoppelt hat, was zu Sozialdumping geführt hat?
Im altgriechischen Theater bedeutet die Krise die Möglichkeit, ja, die Herausforderung eines Wendepunktes. Um einen solchen Wendepunkt herbeizuführen, ist endlich ein gesetzlicher Mindestlohn zu fordern! Gleiche Arbeit am gleichen Ort muss gleich entlohnt werden. Wir brauchen eine gemeinschaftliche Harmonisierung der Steuerarten, vor allem aber brauchen wir eine echte gemeinschaftliche Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte und eine wirklich gemeinschaftlich solidarisch koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik, die verbindliche soziale und ökologische Ziele haben muss!