„EU muss Russland als Partner ernst nehmen“

Europäische Kommission und Rat haben gestern in einer gemeinsamen Erklärung im Vorfeld des EU-Russland-Gipfels am 18. November erneut die Notwendigkeit guter bilateraler Beziehungen betont. Von einer wirklichen Partnerschaft mit Moskau ist die EU jedoch noch weit entfernt, kritisiert der Europaabgeordnete der LINKEN Helmut Scholz. Insbesondere im brisanten außen- und sicherheitspolitischen Bereich müssten konkrete Schritte eingeleitet werden:

„Michail Gorbatschow sagte am Rande der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls zu Recht, die EU sei sich noch nicht im Klaren darüber, mit welchem Russland sie es zu tun haben wolle. Die konkreten Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die in Brüssel und den EU-Hauptstädten viel und gern zitierte „strategische Partnerschaft“ eher auf dem Papier als in der realen Politik existiert.“
Scholz weiter:
„Partnerschaftsbeziehungen aufzubauen muss heißen, gemeinsam mit der russischen Regierung auch Sicherheitsfragen in die Verhandlungen zu einem neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit einzubeziehen. Dabei könnte auch der Vorschlag des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zur „Schaffung eines wirklich großen Europas“ im Sinne der Fortschreibung des Helsinki-Prozesses berücksichtigt werden. Vitale Fragen wie Raketenabwehr, KSE-Vertrag, NATO-Erweiterung und regionale Konflikte müssen im gegenseitigen Interesse an partnerschaftlichen Beziehungen und an strategischer Stabilität in Europa erörtert werden. Daneben ist es wichtig, Russland in die länderübergreifenden Projekte der EU, wie beispielsweise die Ostseestrategie, nicht nur als Zaungast, sondern als gleichberechtigten Mitwirkenden einzubeziehen.
Die in der EU und ihren Mitgliedsländern gegenwärtig vorherrschende Verengung der Beziehungen auf Fragen der Wirtschaft, des Handels und der Energiesicherheit belegt – trotz der unstrittigen Bedeutung dieser Aspekte -, dass Russland als politischer Partner nach wie vor nicht ernst genommen wird. Seit 1989 haben sich vor allem auch im Kontext der EU-Erweiterungen die traditionellen Sicherheitsbedrohungen in und für Europa geändert. Trotzdem ist gegenwärtig in Brüssel kein politischer Wille zu erkennen, ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem zu installieren, welches auch Russland einschließt und auf den Prinzipien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beruht. Politisch unreflektiert bleiben in Brüssel auch die sicherheitspolitischen Bedenken Russlands gegen die Erweiterung der NATO bis unmittelbar an die russischen Grenzen heran sowie die Tatsache, dass zentrale Abrüstungsvereinbarungen wie der von Russland, Weißrussland und der Ukraine ratifizierte Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) von der NATO zwischenzeitlich auf Eis gelegt wurden. Es ist nachvollziehbar, dass die praktisch erfolgte Einkreisung Russlands und das Fehlen ernsthafter Abrüstungsmaßnahmen in Moskau von Russland als Bedrohung wahrgenommen werden. Dass die russische Regierung in der Konsequenz dazu übergegangen ist, Vereinbarungen wie die KSE ebenso auszusetzen, liegt aber weder im Interesse Russlands noch Europas.“