Kein Geld für Nicaragua?
Interview im „Neues Deutschland“ vom 5.September 2009
EU fror 2008 Budgethilfe ein – LINKE fordert Wiederaufnahme / Jürgen Klute ist Abgeordneter der Linksfraktion im Europäischen Parlament
ND: Die EU-Kommission hat die Budgethilfe – Haushaltsunterstützung ohne nähere Zweckbindung – für Nicaragua 2008 eingefroren. Warum?
Klute: Die EU hat ihre für Nicaragua vorgesehenen Budgethilfen in Höhe von 60 Millionen US-Dollar (etwa 42 Millionen Euro) im vergangenen Jahr nicht ausgezahlt und hält auch dieses Jahr ihre Gelder zurück. Druck wurde von der Bundesrepublik ausgeübt, besonders von Seiten der SPD und der FDP.
Mit welcher Begründung?
Nicaragua wurden Unregelmäßigkeiten bei den vergangenen Kommunalwahlen vorgeworfen, obwohl es dafür keine stichhaltigen Beweise gibt. Es gibt außerdem noch andere Länder, deren Wahlen in der Vergangenheit nicht korrekt abgelaufen sind – ich denke da zum Beispiel an den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush. Die Unregelmäßigkeiten brachten jedoch keine vergleichbaren Konsequenzen mit sich.
Die Kommission hat diese Woche erneut über die Auszahlung der Hilfe beraten. Zu welchen Ergebnis ist man gekommen?
Leider wurde nichts entschieden. Die Frage wird im Oktober erneut auf der Tagesordnung im Rat stehen. Diese Woche fliegt ein Vertreter der EU-Kommission nach Nicaragua, um erneut Verhandlungen mit der sandinistischen Regierung von Daniel Ortega aufzunehmen. Das wird wahrscheinlich nicht sofort zu einem positiven Ergebnis führen, aber zumindest schrittweise könnten die Beziehungen wieder »normalisiert« werden.
Wie steht die LINKE im EU-Parlament zu der Zahlungsverweigerung?
Die LINKE im Europäischen Parlament fordert die Kommission auf, die Budgethilfe sofort wieder aufzunehmen. Nicaragua ist das zweitärmste Land Lateinamerikas. Das Fehlen des Geldes wirkt sich vor allem auf die arme Bevölkerung aus, die sozusagen von der EU als Geisel genommen wird. Im Wesentlichen wurde die Budgethilfe im Bildungs- und Gesundheitssektor und für die Armutsbekämpfung eingesetzt. Diese Bereiche sind durch den Mangel an Finanzen sehr geschwächt und drohen jetzt endgültig zusammenzubrechen. Die Entscheidung der EU-Kommission ist also kontraproduktiv. Denn es ist viel teurer, den Gesundheitssektor oder den Bildungsbereich neu aufzubauen, wenn er in sich zusammenfällt, als diese Bereiche weiterhin zu unterstützen.
Insbesondere dem Deutschen Bundestag ist die ungebundene Budgethilfe ein Dorn im Auge, weil sie Nicaraguas Regierung beim Mitteleinsatz nicht über den Weg traut.
Es ist möglich, die Budgethilfe zu sogenannten sektorialen Hilfen umzufunktionieren. Das bedeutet, man einigt sich auf eine gewisse Zweckbindung mit Nicaragua. Das unterstützen wir, denn die Gelder fließen wie gesagt ohnehin in Bereiche, die der Versorgung der Bevölkerung zugute kommen.
Ist die Kritik der deutschen Seite also nur vorgeschoben?
In Nicaragua ist man der Meinung, dass die sandinistische Regierung durch den Druck der EU geschwächt werden soll. Gerade die Einschnitte im Gesundheitsbereich führen zu einer wachsenden Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung. Das könnte sich auf den Ausgang der nächsten Wahlen auswirken. Solche Methoden der politischen Einflussnahme lehnt die LINKE strikt ab. Entwicklungshilfe sollte sich auf die Bedürfnisse der Bevölkerung konzentrieren.
Fragen: Nissrine Messaoudi