Entwicklungskooperation: neue Mitgliedstaaten schauen lieber nach Georgien statt nach Afrika
Plenarrede zum Bericht Budreikaite
Herr Präsident,
Ich gratuliere der Berichterstatterin zu einem sehr ausgewogenen und sachkundigen Bericht.
Ihr Bericht ist ein wichtiger Beitrag zu einer Zwischenbilanz, die wir vier Jahre nach der größten Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union ziehen sollten.
Der Beitritt zur EU bedeutet die vertragliche Verpflichtung, die Errungenschaften der Union – ihren acquis communitaire – zu übernehmen.
Doch ein Vertrag ist das eine und die tatsächliche Überzeugung der Bevölkerung von der Bedeutung eines Politikfeldes kann etwas anderes sein.
Entwicklungskooperation mit den Staaten Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas erscheint in Ländern, die selbst noch einen wirtschaftlichen Entwicklungsrückstand aufholen wollen, nicht als vordingliche Aufgabe.
Für das Erreichen der entwicklungspolitischen Zielsetzung der Europäischen Union und der UN Millennium Entwicklungsziele benötigen wir jedoch unbedingt auch das erneute und verstärkte Engagement der Mittel- und Osteuropäischen Mitgliedstaaten der EU.
Viele Bindungen, die vor 1989 bestanden haben, wurden in Zeiten des radikalen Bruchs mit der staatssozialistischen Epoche gleich mit beendet und das dies so geräuschlos ging ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die Kooperation unter Brüdern auch damals nicht sehr breit verankert war.
Dennoch ist es bedauerlich, dass in der Folge bereits gebaute Krankenhäuser oder Schulen oft verfielen oder begonnene Projekte zu Bauruinen wurden. In ihrem Bericht stellen Sie dar, dass lediglich die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn Kooperationen fortgeführt haben. Das Finanzvolumen dieser Kooperationen ist allerdings gering.
In Absprache mit der Kommission konzentrieren sich fast alle Mittel- und Osteuropäischen Mitgliedstaaten auf die Zusammenarbeit mit ehemaligen Sowjetrepubliken im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik.
Selbst wenn es den neuen Mitgliedstaaten gelingen sollte, wie vereinbart bis 2010 ihre ODA auf 0,17 % zu steigern, wird davon nur ein Bruchteil in den ärmsten Ländern der Welt ankommen und auch das nur indirekt über den Entwicklungshaushalt der EU.
Stattdessen droht in bestimmten Lieblingsländern wie Georgien oder der Ukraine eine uneffiziente Dopplung von Aktivitäten. Im Kontext der Diskussion um die Erweiterung der NATO gerät die auffällige Schwerpunktbildung zudem in den Verdacht, dass es primär um eine „Hilfe“ zur Herauslösung aus dem Einflussbereichs Moskaus geht.
Abschließend möchte ich daher meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in den neuen Mitgliedstaaten nicht von strategischen Interessen ausgenutzt werden soll.