Europa für mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Plenarrede zum Bericht Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur, 18.06.2008 in Strasbourg
Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
nach mehr als anderthalb Jahren Verhandlungen – die Kommission hatte ihren Vorschlag am 5. Oktober 2006 vorgelegt – haben sich alle Fraktionen im Parlament, der Rat und die Kommission schließlich auf einen Kompromiss für eine Richtlinie über das Management für die Sicherheit der Straßenverkehrsinfrastruktur in der EU einigen können.
Der wichtigste Punkt dieser Einigung ist, dass schließlich alle Beteiligten anerkennen, dass die Sicherheit der Straßeninfrastruktur ein elementarer Eckpunkt für die Verbesserung der Sicherheit auf Europas Straßen ist. Neben dem grundsätzlichen Ziel, Verkehr von der Straße auf die Schiene umzuleiten, sind selbstverständlich sowohl Fahrerverhalten und Fahrzeugsicherheit als auch die Einhaltung von Sozialvorschriften wie diejenigen über Lenk- und Ruhezeiten im Transportverkehr entscheidende Komponenten. In diesen Bereichen gibt es immerhin einige, wenn auch nicht immer hinreichende, EU-Regelungen. Hinsichtlich der Infrastrukturplanung und -instandhaltung fehlen bislang solche gemeinsamen Regeln. Das ist eigentlich unverständlich, denn seit wann hören Straßen an Ländergrenzen einfach auf? Sollten nicht alle Fahrer auf unseren Straßen sicher sein können, dass sie auf guten Straßen fahren?
Trotz dieser Argumente hatte der Transportausschuss den Vorschlag der Kommission ursprünglich mit dem Hinweis auf die Subsidiaritätsrechte der Mitgliedstaaten mit einer sehr knappen Mehrheit von einer Stimme vollständig abgelehnt. Dass unser Plenum diese Entscheidung für ungerechtfertigt hielt und den Ausschuss im vergangenen Februar beauftragte, seine Arbeit noch einmal gewissenhaft zu überprüfen, habe ich sehr begrüßt.
Sowohl im Rat als auch im Parlament gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie tief greifend und verbindlich eine gemeinsame Richtlinie sein sollte. Daher war es notwendig Kompromisse zu suchen, die hinter den ursprünglichen Kommissionsvorschlag und auch hinter meinen ersten Berichtsentwurf zurückgehen. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, einheitliche, verbindliche (aber natürlich nicht ausschließliche) Kriterien dafür aufzustellen, wie wichtige Straßen in der EU – nicht nur die Transeuropäischen Netze – geplant, gebaut, verkehrsregelungsmäßig abgesichert, regelmäßig auf Sicherheitsaspekte kontrolliert und gegebenenfalls ausgebessert werden sollten. Dasselbe hielte ich hinsichtlich der Analyse der Gefährdungssituation – Stichwort Unfalldatenaufnahme – für sinnvoll.
Viele meiner Kollegen, praktisch alle Vertreter von Interessengruppen sowie ein Teil der Mitgliedstaaten teilen diese Auffassung. Andererseits ist es aber natürlich richtig, dass die EU keine Gesetze verabschieden kann, denen mehrere MS nicht zustimmen wollen, weil sie ihre Kompetenzen zu stark eingeschränkt sehen. Deshalb haben wir hier über einen Text zu entscheiden, der – leider nur, aber immerhin – ein allererster Schritt in die sichere Richtung ist. Die Mitgliedstaaten werden mit diesen Empfehlungen wahrscheinlich gute Erfahrungen machen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt selbst einheitlicheres Vorgehen wünschen. Insbesondere im Erwägungsteil des Berichts lässt sich erkennen, dass es sich hier um eine Testphase handeln wird, die engere Kooperation in Zukunft keineswegs ausschließt.
Noch kurz zu den wichtigsten Inhalten des Berichts:
1. In alle Phasen der Planung, des Baus und des Betriebs der Straßen wird der Sicherheitsaspekt mit einbezogen.
2. Insbesondere Streckenabschnitte mit hoher Unfallhäufigkeit sollen besonders intensiver Prüfung unterzogen und Fahrzeugführer darauf entsprechend hingewiesen werden. Hinzu kommt, dass ähnliche Beschilderungen, v. a. an Baustellen, angestrebt werden, damit diese sowohl tags als auch nachts rechtzeitig gut erkennbar sind.
3. Unabhängiges, entsprechend ausgebildetes und regelmäßig geschultes Personal ist an Planung und Prüfung entscheidend beteiligt. Es gibt keine Verpflichtung zur detaillierten Harmonisierung der Ausbildung in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten, dennoch soll auf Kompatibilität der Ausbildungs- und Trainingsinhalte geachtet werden.
4. Ebenso können diejenigen Mitgliedstaaten, die bereits ein umfassendes Sicherheitsmanagement durchführen, bei ihrem System bleiben, sofern damit im Ergebnis die Anforderungen der Richtlinie erfüllt werden können.
5. Die Richtlinie bietet zudem viele sinnvolle Beispiele für Methoden und Kriterien, die für Sicherheitsprüfung und Gefahren- bzw. Unfallanalyse Anwendung finden können. Sie betont erneut die Notwendigkeit ausreichender sicherer Parkplätze.
6. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass zur stetigen Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit neue technische Möglichkeiten gefunden und angewandt werden sollten.
Es sind nun im Wesentlichen die Mitgliedstaaten, die sich um schnelle und effektive Umsetzung der Richtlinie kümmern müssen. Die Kommission ist darüber hinaus in der Position, den Austausch von best practice Erfahrungen mit dem Sicherheitsmanagement auf Straßen außerhalb der TEN-T, die mithilfe von EU-Mitteln gebaut wurden, zu befördern. Der Kompromiss stellt jedoch sicher, dass das Parlament bei entscheidenden Änderungen und Weiterentwicklungen der Bestimmungen der Richtlinie adäquat einbezogen wird.
Ich denke, der gefundene Kompromiss, der als „Block 1“ abgestimmt wird, und damit der erneuerte Bericht als Ganzes sollte hier im Plenum Zustimmung finden. Es geht immerhin darum, tausende von Unfällen pro Jahr mit schweren bis tödlichen Folgen in Zukunft zu vermeiden.
Für die intensive Zusammenarbeit, auch wenn sie nicht immer ganz einfach war, möchte ich den Schattenberichterstattern und den Kollegen von Kommission und Rat sehr herzlich danken.