Strategie der Kommission für 2009: Einfach Weiter so
Plenarrede des Europaabgeordneten Helmuth Markov, über die Erklärung der Kommission zur jährlichen Strategieplanung 2009.
Dienstag, 11.03.2008: Erklärung der Kommission zur jährlichen Strategieplanung 2009
Herr Präsident, Kollegen Kommissare,
noch liegt uns kein konkretes Arbeitsprogramm für 2009 vor, zu dem man sich äußern könnte. Aber an der Strategieplanung der Kommission ist erkennbar, dass im kommenden Jahr keine großen strategischen Änderungen zu erwarten sind.
Das ist zwar irgendwo logisch, da es sich bekanntermaßen um ein Wahljahr handelt. Andererseits ist es schon etwas enttäuschend, dass von Seiten der Kommission offenbar wenig „Zukunftsarbeit“ geplant ist – gerade aus Anlaß der anstehenden Wahlen zum Europaparlament und der dann folgenden Wahl einer neuen Kommission. Dieser könnte man ja ein paar Erfahrungen und Ratschläge mit auf den Weg geben.
Die Kommission will ihre Kommunikationsarbeit verbessern, ‚Europa vermitteln‘, die Bürgerinnen und Bürger für den Vertrag von Lissabon ’sensibilisieren‘.
Alles gut und richtig, aber glauben Sie wirklich, die Wahlbeteiligung wird steigen, wenn Sie immer nur erklären, wie wunderbar die bisherige Politik funktioniert, man also die vorhandenen Konzepte einfach weiter verfolgen muss? Und wäre nicht eine Volksabstimmung über den neuen Vertrag der richtige Weg, um die die Bevölkerung in den politischen Prozess einzubeziehen?
Was die Menschen ganz real erleben ist weniger soziale Sicherheit, stagnierende Löhne, gravierende Einschränkung von Arbeitnehmerrechten, steigende Preise für elementare Dienstleistungen (ÖPNV, Gesundheits-, Energie- und Wasserversorgung, Bildung und Kinderbetreuung). Das alles bei steigenden Profiten der großen Unternehmen, die zudem noch mit Betriebsverlagerungen drohen, wenn politische Entscheidungen nicht 1:1 mit ihren Interessen übereinstimmen.
Die Kommission redet einfach weiter davon, wie wichtig ‚lebenslanges Lernen‘ für die ‚Beschäftigungsfähigkeit‘, wie wichtig ‚Flexicurity‘ ist – wobei ich mich bei Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission häufig frage, wo sich die security versteckt.
Sie erzählt uns von der Notwendigkeit, ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ zu stärken – und meint hier wieder vor allem die sowieso schon Starken, die von ‚Belastungen‘, sprich gesellschaftlicher Verantwortung, befreit werden sollen. Sie nennen es Verwaltungslasten. Wenn man aber als EU stolz sein will auf soziale, ökologische und Verbraucherschutzstandards, dann müssen diese auch beschlossen werden und nachprüfbar sein. Unnötige Bürokratie muss nicht sein, aber Verbindlichkeit und Durchsetzung von Regeln schon.
Nirgendwo finde ich in Ihrer Strategie den Gedanken, dass vielleicht das Gesamtkonzept der Lissabon-Strategie, das Konzept von Liberalisierung und Privatisierung, an vielen Stellen einfach nicht im Interesse der Mehrheit funktioniert! Ganz besonders nicht im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen.
Im Bereich der Außenpolitik lese ich immer etwas von Europas wichtiger Rolle in der Welt für Frieden, Sicherheit und Stabilität und von der Priorität des Multilateralismus und von ‚Partnerschaft‘. Ich bin gespannt auf das Arbeitsprogramm, denn in der Strategieplanung ist hierzu wenig Konkretes zu finden: Da steht „Doha gehört weiterhin zu den wichtigsten Prioritäten“, aber nichts, woraus erkennbar wäre, wie die EU zum Gelingen der Entwicklungsrunde beitragen will. Vielmehr wird auf die bekannten regionalen und bilateralen Freihandelsabkommen gesetzt – die deswegen kaum vorankommen, weil sie eben nicht den Bedürfnissen der Entwicklungs- und Schwellenländer entsprechen.
In der vergangenen Woche hat uns Frau Sheeran, Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms der UN, von den großen Schwierigkeiten berichtet, die geplanten Hilfsleistungen zu erbringen, da die Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten exorbitant ansteigen – die Kollegen von der Kommission waren leider nicht in der Lage, deutlich substantielle Unterstützung bei der Lösung dieses Problems zuzusagen. Das ist nur ein winziges Beispiel zum außenpolitischen Handeln der Kommission insgesamt.
Dazu kommt, dass die Außenhandelsstrategie ‚Global Europe‘ eine reine Außenwirtschaftsförderungsstrategie für Europäische Konzerne ist, die sich wenig um regionale und nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung in Partnerländern schert. Und übrigens auch nicht um kleine und mittelständische Unternehmen. Da wundern Sie sich, dass Staaten wie China mit Dumping-Maßnahmen dagegen halten? Sie wollen ja sogar die weit unzureichenden Anti-Dumping-Instrumente weiter aushebeln.
Sie reden dann noch über die „Verbesserung der Einsatz- und Krisenbewältigungsfähigkeit in Drittländern“. Passend zum gerade Gesagten, frage ich Sie: Macht es nicht wesentlich mehr Sinn, die sozialen, aber durchaus auch ökologischen Ursachen von Krisen und Konflikten zu bekämpfen?
Ein Satz noch zum Vertrag von Lissabon. Ja: Es werden sich einige Dinge positiv verändern, gerade was die Kompetenzen des Parlaments angeht. Ich kann wirklich nur zum wiederholten Male auf meine Hoffnung hinweisen, dass die Kommission frühzeitig – also jetzt – beginnt, die interinstitutionelle Zusammenarbeit engagierter zu betreiben.