Für eine Europäische Strategie für Solidarität und nachhaltige Entwicklung
Helmuth Markov in der Gemeinsamen Aussprache des Parlaments, der Kommission und des Rates zur Lissabon-Strategie, 19. Februar 2008 in Strasbourg
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen aus Kommission und Rat,
es wird Sie nicht verwundern, dass wir Abgeordneten der GUE/NGL Ihnen auch in diesem Jahr erneut sagen, dass wir mit der Grundausrichtung – auch der überarbeiteten – Lissabon-Strategie nicht einverstanden sind. Aber jedes Jahr mehr zeigt, dass wir so ganz unrecht nicht haben können. Mich wiederum verwundert es durchaus, dass sich die Politik der Kommission und der Mitgliedstaaten einfach weiterhin auf das einmal Ausgedachte orientiert, obwohl es offensichtlich nicht zu den selbst gesteckten Zielen führt:
Nach 8 Jahren „Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ gibt es in der EU mehr prekäre Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, wachsende Einkommensunterschiede und ungerechtere Zugangsmöglichkeiten zu Daseinsvorsorgeleistungen.
„Schuld“ daran ist nicht „Wettbewerbsunfähigkeit“, sondern falsche, unsoziale Wirtschaftspolitik, die auf einer unsozialen Denkweise beruht: der Mensch und seine Umwelt werden dem Lebensprinzip eines permanenten Wettbewerbs untergeordnet. Alle Güter, Dienstleistungen und sonstige Tätigkeiten werden im Grunde als Handelswaren betrachtet. Der Markt erhält einen Wert an sich, statt dass er als ein, aber eben nur ein Standbein gesamtgesellschaftlicher Organisation begriffen wird. Flexibel sollen die Arbeitnehmer sein (oder die, die gerne Arbeitnehmer wären!). Flexibel sollen auch die kleinen und mittleren Selbständigen sein. Sonst könnten sie eben in diesem ständigen Wettlauf nicht mithalten.
Für die Großkonzerne aber wird ihren Interessen entsprechend alles andere flexibel gehandhabt: Steuern und Arbeitskosten müssen runter? – Machen wir. Subventionen für die Ansiedlung in geplanten ‚Leuchtturm-Zentren‘ werden gefordert? – Kein Problem. Banken haben sich in hoch riskanten Kapitalgeschäften verspekuliert? – Da muss natürlich die öffentliche Hand (also die vielen kleinen Steuerzahler) einspringen. Aber bitte keine Auflagen für die Zukunft.
Meine Fraktion hat – nicht zum ersten Mal – eine ganze Reihe Vorschläge in einem eigenen Resolutionsentwurf zusammengestellt. Da er zehn Seiten lang ist, kann ich hier nur die Kernforderungen aufzählen. Wir wollen eine Europäische Strategie für Solidarität und nachhaltige Entwicklung, die ein neues Paket von wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Maßnahmen vorsieht, die Investitionen in folgende Bereiche fördern:
– Investitionen in die Qualität der Arbeit unter all ihren Aspekten (Löhne, Stabilität, Arbeitsbedingungen und Fortbildung) und Verbesserung der Qualifikationen, um so zu erreichen, dass die Arbeitnehmerschaft hervorragend ausgebildet und qualifiziert ist,
– Investitionen in Basisinfrastrukturen und Infrastrukturen, die die Industrietätigkeit fördern,
– Investitionen in öffentliche Dienstleistungen, um deren Qualität zu verbessern,
– eine starke Kohäsionspolitik, um den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt zu fördern,
– Investitionen in Umweltschutz und Ökotechnologien,
– die Verbesserung der Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Sicherheitsstandards, um eine Harmonisierung auf höchstem Niveau zu ermöglichen,
– sozialer Schutz, um die Armut zu beseitigen und die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen,
– Investition in öffentliche Forschung und Innovation, die allen nutzt,
– die Förderung von Kultur und Sport,
– Bürgerbeteiligung.
Glauben sie mir, solche Investitionen lohnen sich langfristig wesentlich mehr als irgendwelche Eliten- oder Leuchtturm-Projekte oder die ‚Entlastung‘ der wirtschaftlich Starken.
Den vollständigen Resolutionsentwurf der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) finden Sie hier:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+MOTION+B6-2008-0073+0+DOC+PDF+V0//DE&language=DE