Dringlichkeitsdebatte zum Iran

„Hinrichtungen durch Strang“

Herr/Frau Präsident(in), liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wieder einmal ist es notwendig über Menschenrechtsverletzungen im Iran zu sprechen – und dies innerhalb kürzester Zeit! Bereits vor drei Monaten haben wir in diesem Haus eine Entschließung zu Hinrichtungen im Iran formuliert. Leider hat sich seitdem nichts zum Besseren gewendet. Im Gegenteil. Im Schatten der Nuklearkrise geht das Morden des Mullahregimes unvermindert weiter. Erst vor einer Woche wurde der 18-jährige Behnam Saree öffentlich hingerichtet. Vorletzte Woche war ein 20-jähriger erhängt worden, der mit 15 Jahren eine Straftat begangen hatte. Die Prozedur ist immer dieselbe: die jungen Männer müssen sich auf einen Hocker stellen, die Schlinge wird ihnen um den Hals gelegt und wenn der Henker den Hocker wegstösst, zieht sich die Schlinge erbarmungslos zu. Ich frage mich angesichts dieses barbarischen Aktes, ob es eine Steigerung von Barbarei geben kann? Und ich komme zu dem Entschluss: JA – liebe Kollegen. Die Hinrichtung von Minderjährigen ist eben solch eine Steigerung! Diese gegenüber Minderjährigen ausgesprochenen und verhängten Todesurteile stellen eine schwere Verletzung der internationalen Pflichten und Verpflichtungen der islamischen Republik Iran dar. Das Völkerrecht untersagt in Artikel 6 Absatz 5 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und im UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes die Anwendung der Todesstrafe bei Minderjährigen. Als Vertragsstaat dieser beiden Abkommen hat sich der Iran verpflichtet, minderjährige StraftäterInnen, also diejenigen, die zur Tatzeit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht hinzurichten. Es ist schon makaber und grenzt an Geschmacklosigkeit, wenn iranische Regierungsvertreter auf Kritik an dieser Praxis antworten, dass man ja mit der Hinrichtung warten würde, bis die Volljährigkeit erreicht worden wäre.
Verehrte Kollegen,

Iran hält den zutiefst beschämenden Spitzenplatz inne, das Land mit den meisten Hinrichtungen von Minderjährigen zu sein. Seit 1990 gab es laut Amnesty International nirgendwo sonst auf der Welt so viele Hinrichtungen Minderjähriger. Allein im Jahr 2007 und 2008 sind 15 Minderjährige ermordet worden. Die Situation minderjähriger StraftäterInnen, denen die Hinrichtung droht, hat im Iran ein nicht hinzunehmendes kritisches Ausmaß erreicht: Mindestens 132 minderjährige StraftäterInnen befinden sich in Todeszellen, die tatsächliche Zahl könnte jedoch noch weit höher liegen.

Auch die Situation in den Gefängnissen ist dramatisch. Erst gestern hat die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf aufmerksam gemacht, dass sich seit dem 25. August einige hundert kurdische politische Gefangene in iranischen Gefängnissen im Hungerstreik befinden. Sie protestieren gegen die unmenschlichen Verhältnisse, gegen Folter und Misshandlungen. Hier muss die internationale Staatengemeinschaft dringend handeln. Wir müssen unermüdlich und beharrlich auf die Verpflichtung Irans zur Einhaltung von Menschenrechten pochen. Die Lage ist viel zu dramatisch, um diesem Thema einen Aufschub zu gewähren.

Es gibt einen überwältigenden internationalen juristischen und moralischen Konsens darüber, dass minderjährige Straftäter nicht hingerichtet werden dürfen. Einen Menschen für ein Verbrechen zum Tode zu verurteilen und hinzurichten, bei dessen Begehung er ein Jugendlicher war, bedeutet, ihm die Möglichkeit der Rehabilitierung zu verweigern und widerspricht dem heutigen Verständnis von Gerechtigkeit und menschlicher Behandlung. Ich bin der Überzeugung, dass die Todesstrafe das Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedringendste Strafe ist. Europa muss Iran zu einem sofortigen Stopp der Hinrichtungen minderjähriger Straftäter drängen. SOFORT!