Plenardebatte zum Thema Dienstleistungshandel
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Berichtsentwurf des Handelsausschusses über den Dienstleistungsverkehr zeigt, dass es in unserem Haus sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie die globalen Handelsbeziehungen gestaltet werden sollten. Das ist aus demokratischer Perspektive betrachtet natürlich gut. Ebenso erfreulich ist die gemeinsame Überzeugung, dass ein multilaterales Normen- und Regelsystem wichtig und notwendig ist, dass Handel und Entwicklung keine Gegensätze darstellen müssen und dass die Europäische Union angesichts ihres wirtschaftlichen Gewichts eine besondere Verantwortung bei der Mitgestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zukommt.
Grundsätzliche Unterschiede bestehen aber offenbar in der Herangehensweise. Und die sieht man auch bei der Diskussion um das Thema Dienstleistungsverkehr: Natürlich ist es wichtig, weltweit Zugang, Qualität und Auswahlmöglichkeiten von Dienstleistungen wesentlich zu verbessern, insbesondere in den Entwicklungsländern. Ich glaube jedoch nicht, dass das mit einem pauschalen Konzept von Wettbewerb, Liberalisierung und Privatisierung zu erreichen ist. Ganz besonders nicht, wo es um öffentliche Daseinsvorsorgeleistungen geht – Wasser, Gesundheits- und Bildungswesen, Energieversorgung, Personenverkehr. Das funktioniert schon innerhalb des wirtschaftlich halbwegs vergleichbaren EU-Binnenmarktes sehr häufig nicht. Noch viel weniger ist die Marktöffnungsstrategie, die ja auch die Kommission in den multilateralen und zunehmend auch in bilateralen Verhandlungen verfolgt, der richtige Weg, nachhaltige Entwicklung in der Welt zu fördern. Sie zielt – ja übrigens erklärtermaßen – zuvorderst auf den Marktzugang und die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, wohlgemerkt sind das in der Regel die transnational aktiven Konzerne.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die EU fordert von so Ländern wie China, Korea, Indien, den ASEAN- und den AKP-Staaten den Abschluss von Freihandelsabkommen, die sich unter anderem auch auf Auslandsinvestitionen beziehen. Deutschland dagegen führt gerade ein Gesetz ein, mit dem der Anteil ausländischer Stimmanteile an einem deutschen Unternehmen auf maximal 25% begrenzt werden kann – nach Aussage unseres Wirtschaftsministers noch immer eine „sehr liberale Regelung“. Als Bolivien fand, der – weit höhere – Anteil ausländischen Kapitals an seiner Erdölproduktion müsse eingeschränkt werden, hat Europa Zeter und Mordio geschrieen.
Ich sage nicht, kein Land darf irgendeinen Teil seiner Wirtschaft in den (internationalen) Markt überführen. Und natürlich sind Auslandsinvestitionen sehr wichtig für die meisten Länder. Meine Fraktion ist jedoch der Überzeugung, dass jedes Land selbst entscheiden können muss, wann, nach welchen Regeln und wie weitgehend sie sich dem globalen Wettbewerb öffnen kann und will.
Weil der vorliegende Bericht neben einer Reihe richtiger Aussagen – zum Beispiel auch Forderungen nach sozialen, ökologischen und Menschenrechtsstandards – eben doch in zu vielen Punkten der Freihandelslogik folgt, werden wir ihn nicht mittragen können.